Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
und ölverschmierte Overalls trugen, öffneten gerade eine mit einem Schneidbrenner. Ein Kranwagen mit Winde stand bereit, um den Motor herauszuheben. Anschließend sollte der Schweißer die Haube wieder versiegeln. Eine perfekte Methode. Arkadi blickte auf sein Dosimeter. Der Wert war doppelt so hoch wie normal. Aber was war schon normal?
     
    Im Hochgefühl erfolgreich abgeschlossener Verhandlungen und einer schlaflos verbrachten Nacht machte Arkadi einen Umweg. Statt direkt ins Wohnheim zurückzukehren, fuhr er zu Evas Hütte, um ihr zu erklären, dass er in Moskau nur Bericht erstatten müsse und in ein oder zwei Tagen zurückkommen würde. Auch wenn er nicht in die Sperrzone durfte, so konnten sie sich doch in Kiew treffen. Sie war schwierig. Er war schwierig. Warum nicht zusammen schwierig sein? Sie konnten versuchen, »an der großen Zukunft zu bauen«, von der früher auf den Transparenten die Rede gewesen war. Oder sich überwerfen und trennen, wie alle anderen. Er spielte das ganze Gespräch vorher durch.
    Als er sich mit dem Motorrad der Hütte näherte, sah er den Toyota-Pritschenwagen, den Alex fuhr, vor der Garage stehen. Während er auf die Fliegengittertür zuging, hörte er drinnen ein Poltern. Etwas an dem Geräusch hielt ihn davon ab, sofort durch die Tür zu stürmen. Der vordere Raum war leer. Niemand spielte Klavier, niemand blätterte in den Papieren auf dem Tisch. Er vernahm keine Stimmen, nur ein Stöhnen und ein Geräusch, das nach scharrenden Füßen klang.
    Er schlich zum Schlafzimmerfenster, und da sah er sie. Alex und Eva. Sie standen beisammen, sie mit offenem Morgenrock, er mit heruntergelassenen Hosen. Er drückte sie gegen einen Tisch, und seine Hinterbacken zogen sich rhythmisch zusammen. Sie hatte die Arme um seinen Nacken gelegt und hing schlaff an ihm wie eine Stoffpuppe, während er sein Fleisch in ihres stieß und seinen Mund auf ihren presste. War dies der wundervolle Tanzboden der vergangenen Nacht?, fragte sich Arkadi. Offensichtlich ein Partnerwechsel. Als Alex ihren Kopf an den Haaren nach hinten zog und sie küsste, erblickte sie Arkadi am Fenster. Sie machte eine Hand frei und gab ihm durch einen Wink zu verstehen, er solle verschwinden. Der Tisch wackelte, Bürsten, Fotos und Parfümfläschchen fielen herunter. Alex entdeckte Arkadi im Spiegel und stieß noch energischer zu. Arkadi wartete auf ein Zeichen von ihr, doch sie sah ihn nur teilnahmslos an. Dann schloss sie die Augen und legte den Kopf auf Alex’ Schulter.
    Arkadi taumelte zum Motorrad, als hätte er seinen Gleichgewichtssinn verloren. Er schämte sich seiner Dummheit. Für einen solchen Schock war es noch etwas früh am Tag. Offensichtlich hatte Eva nicht mit seiner Rückkehr gerechnet. Trotzdem ging es für seinen Geschmack etwas schnell. Und es roch nach Abschied. Er spürte eine Wut in sich aufsteigen, doch er wusste nicht recht, auf wen.
    Alex kam, sich das Hemd in die Hose stopfend und den Gürtel zuschnallend, durch die Fliegengittertür, ganz der Herr des Hauses, der einem unerwarteten Besucher entgegentritt.
    »Ach, armer Renko! Tut mir Leid, dass Sie uns überrascht haben. Ich weiß, das tut weh.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier sind.«
    »Ich dachte, Sie seien abgereist. Und warum auch nicht? Sie ist immer noch meine Frau.«
    »Haben Sie sie vergewaltigt?«
    »Nein.«
    »Hat sie sich gewehrt?«
    »Nein. Aber da Sie schon fragen.« Alex drehte sich zur Hütte um. »Es war sehr schön. Wie früher.«
    Arkadi ging zur Hütte. Als er die Eingangstreppe erreichte, verriegelte Eva von innen die Fliegengittertür und zog sich in die Mitte des kleinen Wohnzimmers zurück. »Sie wird darüber hinwegkommen«, sagte Alex. »Eva ist zäher, als sie aussieht.«
    Arkadi rüttelte an der Tür. Er erwog, sie aus den Angeln zu reißen, doch Eva schüttelte den Kopf und rief: »Das alles geht dich überhaupt nichts an.«
    »Sie bringen sie durcheinander«, meinte Alex.
    »Bist du verletzt?«, fragte Arkadi.
    »Nein«, antwortete Eva.
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Geh, bitte!«, sagte Eva.
    »Ich muss …«
    Dann folgte genau die Art von Szene, die Polizisten in aller Welt ein Gräuel war. Zwei Männer rangen miteinander am Boden, ein Motorrad wurde umgestoßen, und eine Frau schluchzte in einem Haus. Die Pistole, die Alex plötzlich in der Hand hielt, stellte die nächste Stufe der Eskalation dar. Er drückte sie Arkadi an die Schläfe und sagte: »Wir beide hatten eine Abmachung. Sie sind hergekommen,

Weitere Kostenlose Bücher