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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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er eine Imkermaske, aber normalerweise nicht. In kalten Wintern brachte er die Bienenkörbe runter nach Florida. Ich liebte diese Fahrt. Er immer mit einer kalten Zigarre im Mundwinkel. Er hat nie geraucht, wenn er bei den Bienen war. Die Nachbarn beschwerten sich. >Mr. Hoffman, was ist, wenn sie stechen?< Und mein Vater sagte: >Sie mögen doch Blumen, Äpfel und Pfirsiche. Dann müssen Sie verdammt noch mal auch die Bienen in Kauf nehmen.< Und um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schickte er mich einmal in der Nachbarschaft herum, um bei den Leuten Geld zu sammeln, je nachdem, wie viele Blumen und Obstbäume sie besaßen, so als stünde uns ein Anteil zu. Und etwas Kleingeld kam auch zusammen. Als ich mit dreizehn meine Bar-Mizwa feierte, nahm er mich mit ins Copa. Das war ein Klub. Jeder kannte ihn dort: großer Bursche, tolle Stimme. Er setzte mir eins von den Revuegirls auf den Schoß und schenkte ihr eine Brosche in Form einer Biene mit Diamantenaugen. Er machte keine halben Sachen. Wenn er einen mochte, kam man blendend mit ihm aus. Wenn nicht, dann nicht. Auf einer unserer Fahrten in den Süden fiel zwei Blödmännern unser Nummernschild auf, und sie fragten, ob ich ein New Yorker Judenjunge sei. Er schlug sie halb tot. Der Manager des Motels musste dazwischengehen. Das war Loyalität. Bei meiner ersten Begegnung mit Pascha dachte ich: Mein Gott, der ist genau wie mein alter Herr.«
    »Wir müssen los«, sagte Arkadi.
    »Mit den Iren kam mein alter Herr gut aus. Sie hielten ihn für einen Iren, weil er trinken, singen und kämpfen konnte. Die Frauen flogen auf ihn. Meine Mutter sagte immer: >Warst du wieder bei deinen Schicksen?< Sie war sehr fromm. Komischerweise legte sie großen Wert darauf, dass ich eine Jeschiwa besuchte. Sie sagte immer: >Bobby, das Besondere an uns Juden ist, dass wir Gott nicht nur verehren, sondern auch einen schriftlichen Vertrag mit ihm haben. Das ist die Thora. Wenn du aus dem Kleingedruckten darin schlau wirst, verstehst du das Kleingedruckte von allem.<«
    »Sagen Sie es ihm noch mal«, drängte Jakow, der die Straße im Auge behielt.
    »Staatsanwalt Surin hat mich angerufen«, sagte Arkadi, »und nach Moskau zurückbeordert. Er war froh, dass er mich hier für immer kaltgestellt hatte, deshalb kann es meines Erachtens nur einen Grund dafür geben, dass er mich jetzt so eilig zurückpfeift: Oberst Oschogin ist auf dem Weg hierher.«
    »Erinnern Sie sich an den netten Polizisten?«, fragte Jakow.
    »Hauptmann Martschenko«, half Arkadi Bobby auf die Sprünge. »Der Mann aus dem Cafe. Ich glaube, ihm ist ein Klolicht aufgegangen, und er hat Oschogin angerufen. Nach der Dringlichkeit in Surins Stimme zu urteilen, organisiert der gerade einen Firmenjet, um hierher zu fliegen, zu Ihnen. Aber nicht, um Sie festzunehmen. Sonst könnten sie mich ja hier lassen.«
    »Will er Bobby eine Abreibung verpassen?«, fragte Jakow.
    »Wir könnten ihn mit Bobby zehn Minuten allein lassen. So ein bisschen Schmerz .«
    Bobby lachte verhalten, um die Bienen nicht zu stören, die sich auf seinem Hut tummelten. »Er kommt nicht extra mit dem Flieger aus Moskau, nur um zehn Minuten lang >Haut den Juden< zu spielen.«
    »Es geht nicht nur um eine Lektion«, erklärte Arkadi. »Sie stellen für NoviRus eine Bedrohung dar.«
    Bobby zuckte mit den Schultern, und Arkadi fiel auf, dass er mit jedem Tag phlegmatischer wurde.
    »Das sind doch alles nur Vermutungen«, erwiderte Bobby.
    »Sie haben nicht den geringsten Beweis, dass der Oberst im Anmarsch ist.«
    »Wollen Sie warten und es herausfinden? Wenn ich mich irre, verlassen Sie die Zone einen Tag früher. Wenn ich Recht habe, und Sie bleiben, werden Sie den Tag nicht überleben. Was ist nur aus dem alten Bobby Hoffman geworden, den sie nie geschnappt haben?«
    »Er ist müde geworden.«
    »Und was ist aus Ihrem Vater geworden?«, fragte Jakow.
    »Im Gefängnis zugrunde gegangen. Das FBI wollte die Namen seiner Partner und buchtete ihn deshalb ein. Aber er hat sich nicht kleinkriegen lassen und keinen einzigen verpfiffen, also haben sie ihm noch mehr aufgebrummt. Nach sechs Jahren hinter Gittern hatte er Zucker und Durchblutungsstörungen. Und nichts von wegen anständige ärztliche Behandlung. Sie fingen an, an ihm rumzuschnippeln. Zuerst an dem einen Bein, dann am anderen. Sie haben einen Hünen wie meinen Vater in einen Zwerg verwandelt. Seine letzten Worte an mich waren: >Lass dich niemals von ihnen einbuchten, sonst steige ich aus dem Grab und

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