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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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prügle dich windelweich.< Wenn ich an ihn denke, fällt mir immer ein, wie er war, bevor sie ihn eingesperrt haben, und immer wenn ich eine Biene sehe, weiß ich, was der alte Mann denken würde: Wohin will das Tierchen? Zu einer Apfelblüte? Einem Birnbaum? Oder schwirrt es einfach nur so in der Sonne herum?«
    »Jedenfalls wartet es nicht einfach, bis es zertreten wird«, sagte Arkadi.
    Bobby blinzelte. »Eins zu null für Sie.«
    »Zeit zu gehen, Bobby.«
    »Wohin zuerst?« Ein schwaches, aber waches Lächeln.
    »Zum Wohnheim. Ein kurzer Weg zu Fuß, und es ist dunkel.«
    »Nehmen wir nicht den Wagen?«
    »Nein. Ich glaube nicht, dass Ihr Wagen noch durch die Kontrollen kommt.«
    »Weil Oschogin angerufen hat?«
    »Oschogin will, dass Sie hier sind, wenn er kommt.«
    »Warum tun Sie das? Was versprechen Sie sich davon?«
    »Ein wenig Hilfe.«
    »Eine Gegenleistung?«
    »Sie haben’s erfasst. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Bobby nickte. Er blies sanft die Bienen von seinen Fingern, stand auf und schüttelte die anderen ebenso sanft von seiner Jacke, dann nahm er den Hut ab und blies die restlichen Bienen von der Krempe.
     
    Arkadi führte Bobby und Jakow zu dem Zimmer neben seinem, aus dem der Lärm eines jubelnden Stadions drang, und klopfte.
    Als niemand aufmachte, zückte er die Telefonkarte, die Viktor ihm gegeben hatte, und öffnete damit den Schnappriegel. Professor Campbell saß in einem Sessel, steif wie eine Mumie, die Augen zu, den Kopf auf der Brust, eine leere Flasche zu seinen Füßen. Weitere leere Flaschen auf dem Tisch reflektierten das schwache Licht des Fernsehers, in dem ein Fußballspiel hin- und herwogte und die Anhänger der Heimmannschaft ihre Schlachtgesänge grölten.
    Arkadi lauschte Campbells tiefem Atem, der so roch, als sei er entzündlich.
    »Tot oder betrunken?«, fragte Bobby.
    »Er ist in Ordnung«, antwortete Jakow.
    »Konnten Sie keine größere Uniform zum Stehlen finden? Ich komme mir vor wie ein dressiertes Hähnchen.«
    Bobby sank in einen Sessel neben Campbell und verfolgte das Spiel. Die Aufzeichnung zeigte zwei britische Mannschaften, die eine rustikalere Spielweise ohne südländische Eleganz pflegten. Arkadi bezweifelte sehr, dass Bobby Hoffman Fußballfan war. Er hatte eher den Eindruck, dass er genau wusste, was jetzt kam. Arkadi nahm die Kassette mit dem Spiel heraus.
    »Haben Sie Baseball?«, fragte Bobby.
    »Ich habe das hier.« Arkadi schob Vankos Kassette in das Gerät und drückte auf Play.
    Tschernobyl bei Tag, im Freien. Mit Handkamera gefilmt. Die Kreuzung mit Cafe, Kantine und Wohnheim. Der Atmosphäre halber ein Denkmal für Feuerwehrleute, eine Leninstatue mit gewölbter Brust, Bäume im hellgrünen Frühlingskleid. Dann die Teleobjektivaufnahme eines nahenden Busses, der sich wellenartig hob und senkte und sich im Näherkommen zu einer langen Kolonne von Bussen streckte. Szenenwechsel. Busse parkten auf dem Platz vor dem Wohnheim, und hunderte bärtige Männer, die auf den ersten Blick alle die gleichen schwarzen Anzüge und Hüte trugen, stiegen aus und liefen ziellos umher. Beim zweiten Hinsehen zeigte sich, dass alle Altersgruppen vertreten waren, auch Jugendliche mit Schläfenlocken. Ein separater Bus mit Frauen, die Kopftücher auf hatten. Zwei Milizionäre mit der verdrossenen Miene der Besitzlosen. Eine Großaufnahme von Hauptmann Martschenko, wie er Hände schüttelte und einen Mann begrüßte, dessen Gesichtsausdruck hinter seinem Bart verborgen blieb.
    »Die Aufnahmen hat Vanko letztes Jahr gemacht«, erläuterte Arkadi.
    Unter hebräischem und amerikanischem Gemurmel ergoss sich die Menge auf die Straße und den Gehweg gegenüber, sichtlich bemüht, den Patriarchen, deren Bärte sich wie ausfasernde Seide spreizten, nicht allzu weit vorauszueilen. Sie kamen aus New York und Israel, wo die Tschernobyler Juden nach Jakows Auskunft jetzt lebten. Kurzes Gewackel, als Vanko mit laufender Kamera nach vorn rannte. Schnitt, und der Bunker mit dem Grab des Rabbis. Rabbi Nahum von Tschernobyl, laut Jakow. Ein großer Mann, einer, der Gott überall sah. Die Besucher verfolgten, wie ein Älterer arthritisch die Schuhe auszog und eintrat. Laut Jakow gehörte ein Grab in der Gruft Rabbi Nahum, das andere seinem Enkel, ebenfalls ein Rabbi. Arkadi erinnerte sich, wie eng es in der Gruft gewesen war, doch Mann um Mann verschwand darin ohne Schuhe und mit verklärtem Gesicht. Ein Schwenk auf die verzückte Menge, und dort, ganz am Rand, stand Bobby Hoffman,

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