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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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rief: »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich erschieße, wenn du zurückkommst!«
    »Ich bin’s.« Er öffnete die Tür und machte Anstalten, aus dem Wagen zu steigen.
    »Steig nicht aus, Alex.« Sie kam immer näher.
    »Es ist alles in Ordnung.« Er stieg vollends aus, damit sie ihn besser sehen konnte. Er war gekränkt gewesen, er war gemein gewesen, er schämte sich dafür, aber er würde nicht gehen. Außerdem fühlte er sich erschöpft. Er konnte nicht weiter. Sie trat so nah heran, dass sie ihn nicht verfehlen konnte, dann erst erkannte sie, dass er vor dem Pritschenwagen stand und nicht Alex. Er wusste, dass er nicht gut aussah. Tatsächlich hätte er die meisten Leute in Angst und Schrecken versetzt. Sie begann zu zittern. Sie zitterte wie eine Frau in eiskaltem Wasser, bis er sie hineintrug.
    Surin war verstimmt, weil Arkadi nicht in der VIP-Lounge Platz nehmen wollte. Der Staatsanwalt hatte eigens die Erlaubnis dazu eingeholt, doch Arkadi lehnte es ab, sich die stundenlange Wartezeit bis zum Abflug der Maschine nach Moskau lediglich mit dem Anblick des Single Malt Whisky trinkenden Surin zu verkürzen. Surin fand, dass ihm ein wenig Komfort in einer exklusiven Umgebung zustand, nachdem er die weite Reise nach Kiew auf sich genommen hatte, um seinen eigensinnigen Ermittler nach Hause zu holen. Doch Arkadi war einfach hinausmarschiert und hatte sich in ein Irish Pub gesetzt, genau dort, wo die Massen in die Haupthalle strömten.
    Seit einem Monat hatte er kein Kind mehr gesehen und kaum andere Kleider als Tarnanzüge. War nirgendwo hingegangen, ohne sich der blechernen Vogelscheuchen von Tschernobyl bewusst zu sein. Hier bahnten sich Leute rücksichtslos einen Weg, die Augen auf den Linoleumfußboden gerichtet, überdimensionale Koffer schleppend. Geschäftsleute, so mitgenommen und zerknittert wie ihre Anzüge, tippten auf Laptops. Paare, die Richtung Süden nach Zypern oder Marokko flogen, trugen knallige Farben, um Urlaubsstimmung zu signalisieren. Männer standen wie versteinert vor dem Flightboard, und obwohl die Morgensonne durch die Glasfront der Halle schien, sah Arkadi an ihrem stieren Blick, dass es für sie noch mitten in der Nacht war. Er fand es herrlich.
    Nach den leeren Wohnungen von Pripjat waren Familien für ihn etwas Wunderbares. Ein Baby schrie und schlug an den Bügel seines Kinderwagens. Ein anderes in Windeln entschloss sich zu seinen ersten Gehversuchen. Zwillinge mit runden Köpfen und staunenden blauen Augen gingen Hand in Hand spazieren. Ein indischer oder pakistanischer Junge wurde von seiner kleinen Mutter wie ein Prinz in einer Steppdecke getragen. Eine wahre Wonne.
    »Gefällt es Ihnen hier?«, erkundigte sich Surin. »Sie halten mich so lange hin, bis ich kommen und Sie holen muss, und dann führen Sie sich so auf, als wären Sie immer noch im Urlaub.«
    »War das für Sie Urlaub?«
    »Jedenfalls war es keine Arbeit. Ich habe Ihnen vor sieben Tagen befohlen zurückzukommen.«
    »Ich war in ärztlicher Behandlung.« Arkadi hatte den blauen Fleck als Beweis.
    Staatsanwalt Surin hatte einen angeblichen Grund zur Klage. Gewiss, er hatte alles Erdenkliche getan, um eine Aufklärung des Mordes an Lew Timofejew zu verhindern, Tatsache aber blieb, dass Arkadi nicht klären konnte, wer Timofejew die Kehle durchgeschnitten hatte.
    »Sie hätten mit Oberst Oschogin zurückfliegen können.«
    »Wir sprachen kurz miteinander. Ich hatte da noch ein paar Fragen zum Sicherheitsdienst von NoviRus, aber er war in Eile.«
    »Der Mann ist eine Enttäuschung. Allerdings keine größere als Sie. Hier, das kam gestern mit der Post.« Surin warf Arkadi etwas zu.
    »Was ist das?«
    »Eine Postkarte.« Auf der Hochglanzseite war ein Bild von Nomaden in blauen Gewändern, die auf Kamelen durch Wüstensand ritten. Auf der Rückseite stand neben Arkadis Name und Büroadresse ein kurzer Gruß: »Zwei reisen billiger als einer.«
    »Eine Postkarte aus Marokko.«
    »Das sehe ich. Was hat es damit auf sich? Von wem ist sie?«
    »Ich habe keine Ahnung. Sie ist nicht unterschrieben.«
    »So, Sie haben keine Ahnung. Vielleicht eine verschlüsselte Nachricht von Hoffman?«
    Arkadi nahm die Postkarte genauer unter die Lupe. »Der Text ist russisch, und die Handschrift ist russisch.«
    »Schon gut.« Surin beugte sich vor. »Wurmt es Sie eigentlich nicht, dass Ihre Untersuchung zu nichts, aber auch gar nichts geführt hat? Was sagt das über Sie als Ermittler?«
    »Es spricht Bände.«
    »Ganz meine Meinung. Ich

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