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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Infektion. Vielleicht hat er ein Medikament nicht vertragen.«
    »Wenn doch nur Oschogin schon hier wäre«, jammerte Timofejew.
    Arkadi hatte ihn auf der Titelseite eines Hochglanzmagazins gesehen, einen selbstbewussten Lew Timofejew, der mit einer Segelyacht auf dem Schwarzen Meer die Wellen durchschnitt. Wo war dieser Timofejew geblieben?, fragte sich Arkadi.
    Ein Krankenwagen hielt diskret am Straßenrand. Der Kriminalbeamte kam mit einer Kamera über die Straße und fotografierte Iwanow, bevor er in den Plastiksack gerollt wurde, dann den Fleck auf dem Gehweg. Irgendetwas hatte unter der Leiche gelegen. Von oben sah es aus wie ein Trinkglas. Auch davon machte der Polizist Fotos.
    Hoffman verfolgte die Szene unter ihnen, ließ Arkadi jedoch nicht aus den Augen.
    »Stimmt es, dass für Sie ganz Moskau ein kriminelles Pflaster ist?«
    »Macht der Gewohnheit.«
    Das Wohnzimmer war eigentlich der Traum jeder Spurensicherung: weiße Fliesen, weiße Ledersofas und Ledersessel, Wandbespannungen aus Stoff, Couchtisch und Aschenbecher aus Glas, alles ein exzellenter Hintergrund für Haare, Lippenstift und Fingerabdrücke, die Abnutzungsspuren des Lebens. Es wäre ein Kinderspiel gewesen, hier zu suchen, bevor Surin freundlicherweise Leute hereingelassen und alle Spuren vernichtet hatte. Denn bei einem Springer stellte sich immer die Frage: War er freiwillig gesprungen oder hatte jemand nachgeholfen?
    »Pascha und ich kannten uns schon lange«, sagte Timofejew, ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden. »Wir haben zusammen studiert und am selben Institut geforscht, als die Wirtschaft des Landes kollabierte. Stellen Sie sich vor, das größte physikalische Forschungslabor in Moskau, und wir bekamen kein Gehalt mehr. Der Direktor, Akademiemitglied Gerasimow, ließ in den Gebäuden die Heizung abstellen, um Kosten zu sparen und weil es Winter war, froren die Rohre ein. Wir mussten tausende Liter radioaktives Wasser entsorgen, also leiteten wir es mitten in der Stadt in den Fluss.« Er leerte sein Glas. »Der Direktor war ein brillanter Mann, aber von Zeit zu Zeit griff er zur Flasche. Dann verließ er sich auf Pascha und mich. Nun ja, jedenfalls haben wir mitten in Moskau radioaktiv verseuchtes Wasser abgelassen, und keiner hat was gemerkt.«
    Arkadi war bestürzt. Das hatte er mit Sicherheit nicht gewusst.
    Rina trug Timofejews Glas zur Bar und blieb dort neben einer Galerie von Fotos stehen, auf denen Pascha Iwanow noch nicht tot war. Pascha war kein Adonis gewesen, aber ein großer Mann der großen Gesten. Auf verschiedenen Fotos sah man, wie er sich von Klippen abseilte, durch den Ural wanderte oder in Wildwasser paddelte. Auf anderen umarmte er Jelzin, Clinton und Bush senior, strahlte Putin an, der, wie gewöhnlich, einen Flunsch zog, wiegte einen kleinen Dackel im Arm wie einen Säugling, feierte Partys mit Operntenören und Rockstars, und selbst wenn er sich vor dem orthodoxen Patriarchen oder dem katholischen Papst verneigte, strahlte er eine forsche Selbstsicherheit aus. Andere Neurussen waren auf der Strecke geblieben, waren Pleite gegangen, erschossen oder vom Staat ins Exil geschickt worden. Paschas Weg hatte nur steil nach oben geführt. Er galt als Mann mit Gemeinsinn, und wenn beim Bau der Erlöserkirche die Geldquellen versiegten, stiftete er die Goldfolie für die Kuppel. Als Arkadi die Akte über ihn anlegte, wurde er gewarnt. Wenn man Iwanow eines Vergehens beschuldige, so hieß es, könne er im Parlament anrufen und das entsprechende Gesetz ändern lassen. Ihn unter Anklage zu stellen sei wie der Versuch, eine Schlange festzuhalten, die Haut um Haut abstreife und gleichzeitig Beine ausbilde. Mit anderen Worten: Pascha Iwanow war ein Mann seiner Zeit, der zugleich eine Phase der Entwicklung repräsentierte.
    Arkadi bemerkte auf dem Fenstersims ein leichtes Glitzern. Es rührte von Kristallen her, die ihm so vertraut waren, dass er den Zeigefinger darauf drückte, zum Mund führte und leckte. Salz.
    »Ich sehe mich mal etwas um.«
    »Aber Sie führen keine Untersuchung durch«, sagte Hoffman. »Keinesfalls.«
    »Auf ein Wort«, sagte Surin und bugsierte Arkadi auf den Flur. »Renko, wir haben gegen Iwanow und NoviRus ermittelt, aber ein Verfahren gegen einen Selbstmörder hätte einen unangenehmen Beigeschmack.«
    »Sie selbst haben die Untersuchung eingeleitet.«
    »Und hiermit beende ich sie. Ich möchte keinesfalls den Eindruck erwecken, wir hätten Pascha in den Tod getrieben und verfolgten ihn noch bis

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