Treue Genossen
erkundigen, wie es mit abgebrannten Brennelementen aussieht.«
»Lässt sich denn mit so etwas Geld verdienen?«
»Das wird ein Renner.«
Der Wagen war ein schlammbespritzter Nissan. Ein Abstieg nach dem Mercedes, in dem Arkadi Hoffman zuletzt gesehen hatte. Auch Hoffmans Kleidung war nicht mehr die gleiche.
»Haben Sie sich runderneuert?«
»Sie meinen wegen der Klamotten? Die Chassidim sind die einzigen Juden, die sich hier blicken lassen. Ich habe mir gedacht, dass ich damit weniger auffalle.« Hoffman musterte Arkadis Camo. »Und Sie? Sind Sie Soldat geworden?«
»Einheitskluft der Sperrzonenbewohner. Weiß Oberst Oschogin, dass Sie hier sind?«
»Noch nicht. Erinnern Sie sich an die CD-ROM, die der Oberst gefunden und so stolz präsentiert hat? Es war mehr als nur eine Liste von Auslandskonten drauf. Nämlich auch ein Trojaner, ein Virus mit dem Befehl, die Konten zu räumen und das Geld an eine kleine Bank meines Vertrauens zu überweisen. Ich hätte in Moskau bleiben können, aber als Pascha starb und Oberst Oschogin mich aus den Büros von NoviRus aussperrte, sogar aus meinem eigenen Büro, da habe ich mir gesagt: >Zur Hölle mit ihnen! Sie oder ich!< Aber ich musste das Arschloch scharf auf die CD-ROM machen und dazu bringen, dass er das System mit ihr füttert. Wissen Sie noch, wie mich der Oberst in die Nase gekniffen hat, so dass sie blutete? Jetzt kneife ich, mein Lieber, aber nicht in die Nase.«
»Sie sollten sich aus dem Staub machen. Wieso sind Sie hier?«
»Sie brauchen Hilfe, Renko. Sie sind schon über einen Monat hier. Ich habe mit Viktor gesprochen, Ihrem Polizisten.«
»Sie haben mit Viktor gesprochen?«
»Viktor hat E-Mail.«
»Er redet nicht mehr mit mir. Wenn ich in seinem Büro anrufe, ist er nie da, und am Handy meldet sich niemand.«
»Anruferkennung. Sie bezahlen ihn ja auch nicht, aber ich. Und Viktor sagt, dass Sie keinen Bericht nach Moskau geschickt haben, der auch nur einen Pfifferling wert ist. Sind Sie nicht weitergekommen?«
»Nein.«
»Keinen Schritt?«
»Nein.«
»Sie versauern hier. Sie träumen.«
Sie waren am Cafe vorbeigegangen und kamen jetzt in ein Viertel mit Akazien und komfortablen zweistöckigen Holzhäusern, in denen einst Tschernobyls sozialistischer Adel residiert hatte: Bürgermeister und Milizkommandant, der örtliche Parteisekretär und seine Stellvertreter, Staatsanwalt und Richter, Hafenmeister und Fabrikdirektoren. Morsche Außenwände knickten unter den Dächern ein, einstürzende Dächer quetschten Wände zusammen. Bäume tasteten sich zu einem Fenster hinein und sprengten den Rollladen des nächsten. Eine Puppe mit ausgebleichtem Gesicht stand im Garten.
»Wie wollen Sie mir denn helfen?«, fragte Arkadi.
»Sie haben mich falsch verstanden.«
Hoffman winkte dem Wagen vorzufahren, und stieß Arkadi hinein. Der Fahrer sah ihn teilnahmslos an. Er hatte tief liegende Augen und trug eine Kippa, die an einer Haarsträhne festgesteckt war. Die schwieligen Hände ließ er auf dem Lenkrad ruhen.
»Keine Sorge wegen Jakow«, erklärte Hoffman. »Ich habe ihn ausgesucht, weil er der älteste Jude in der Ukraine ist und kein Wort Englisch spricht.« Auf dem Rücksitz war es eng, und es wurde noch enger, als Hoffman einen Laptop aufklappte.
»Ich gebe Ihnen eine Chance zu punkten, Renko. Ich behaupte ja nicht, dass Sie völlig unfähig sind.«
»Danke.«
»Ich sage nur, dass Sie etwas Unterstützung brauchen. Zum Beispiel hatten Sie den Einfall, nicht nur die Überwachungsvideos aus Paschas Wohnhaus zu besorgen, sondern auch die aus den beiden Nachbargebäuden. Und Viktor hat getan, was Sie ihm auftrugen. Das Problem war, dass Sie klein beigegeben und behauptet haben, Pascha sei durch Selbstmord gestorben.«
»Es war Selbstmord.«
»Wenn jemand dazu getrieben wird, sich das Leben zu nehmen, ist das für mich kein Selbstmord. Kommen Sie mir also nicht damit. Okay, Paschas Tod wurde offiziell als Selbstmord abgehakt, also gab es keine Untersuchung, und dann las Viktor irgendwo, dass Wodka vor Strahlung schützt. Er hat sich gründlich geschützt, und als er wieder nüchtern war, hatte er die Bänder völlig vergessen. Dann wurde Timofejew die Gurgel durchgeschnitten, und Staatsanwalt Surin schickte Sie hierher.« Bobby blickte aus dem Autofenster zu den Häusern.
»Scheiße, da sind Eskimos ja noch freundlicher. Die setzen einen nur auf eine Eisscholle.«
»Was ist mit den Bändern?«
»Ich habe mich mit Viktor in Verbindung gesetzt. Haben
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