Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
für die Antwort, dass ihm Vanko, der Reiseführer, zuvorkam. »Rabbi Nahum von Tschernobyl und sein Enkel.«
    Hoffman schaute sich um. »Kalt hier.«
    »An heiligen Stätten ist es oft kalt«, meinte Vanko.
    »Aha, ein Religionsfachmann«, sagte Hoffman und fragte Arkadi: »Was soll ich jetzt tun?«
    »Sie sind der chassidische Jude. Tun Sie, was chassidische Juden eben so tun.«
    »Ich bin nur wie einer angezogen. Ich mache solche Sachen nicht.«
    »Einmal im Jahr«, erklärte Vanko, »kommen die Juden alle mit dem Bus hierher. Nicht allein, so wie er.«
    »Was für Sachen?«, fragte Arkadi.
    Hoffman fischte zwei Zettel aus einem Betongrab, hielt sie ins Licht und las. »Hebräisch. Gebete an den Rabbi.«
    »O ja«, bekräftigte Vanko.
    »Leben viele Juden hier?«, fragte Arkadi.
    »Es sind nur Besucher«, antwortete Vanko.
    »Extra aus Israel.« Hoffman las einen dritten Brief. »Verrückt, diese Juden. Der hier schreibt: Wenn irgendein anderer den Super Bowl gewinnt, gehe ich nach Disneyland! Wenn ein Jude gewinnt, gehe ich nach Tschernobyl!«
    »Es sind Pilger«, stellte Arkadi fest. »Was Sie nicht sagen! Und was jetzt?«
    »Tun Sie was.«
    Vanko hatte das Gespräch mehr mit den Augen als mit den Ohren verfolgt. Er fasste in seine Tasche und zog eine frische Votivkerze hervor.
    »Haben Sie zufällig auch einen Tallit dabei?«, fragte Hoffman. »Na, macht nichts. Trotzdem danke. Danke vielmals. Was schulde ich Ihnen?«
    »Zehn Dollar.«
    »Für eine Kerze, die zehn Cents wert ist? Dann haben Sie für die Gruft wohl eine Konzession.« Hoffman kramte nach Geld.
    »Sie betreiben das als Geschäft?«
    »Ja.« Vanko legte Wert darauf, dass darüber Klarheit herrschte. »Wollen Sie ein Gebet schreiben? Brauchen Sie einen Stift oder Papier?«
    »Für zehn Dollar pro Blatt? Nein, danke.«
    »Ich warte draußen, falls Sie noch etwas brauchen. Etwas zu essen vielleicht, oder ein Zimmer?«
    »Ganz bestimmt.« Hoffman sah Vanko nach. »Na großartig! Von einem ukrainischen Igor in einer Gruft allein gelassen.«
    In jedem Sarg lagen hunderte Gebete. Arkadi hielt Hoffman zwei hin. »Um was geht’s bei denen?«
    »Um das übliche: Krebs, Scheidung, Selbstmordattentäter. Lassen Sie uns nach draußen gehen.«
    Arkadi deutete mit dem Kopf auf die Kerze. »Haben Sie ein Streichholz?«
    »Ich sagte doch schon, dass ich so etwas nicht mache.«
    Arkadi entzündete die Kerze und setzte sie auf den Rand des Grabes. Eine Miniaturflamme schwebte über dem Docht.
    Hoffman rieb sich am Hinterkopf, als sitze er nicht richtig.
    »Für zehn Dollar ist das nicht viel Licht.«
    Arkadi suchte Kerzenstummel mit einem Rest Wachs und entzündete sie, bis er ein halbes Dutzend Flammen hatte, die flackerten und rauchten, zusammen aber einen schwebenden Ring aus Licht bildeten, der den Eindruck erweckte, dass das Papier sich bewegte und glühte. Zudem bemerkte Arkadi im Schein der Kerzen, dass Jakow in der offenen Tür stand. Er war so dünn, dass Arkadi unwillkürlich an einen Stock dachte, der im Feuer gehärtet worden war.
    »Stimmt was nicht?«, rief Vanko von draußen.
    Jakow zog sich die Schuhe aus und trat ein. Er küsste das Grab, betete im Flüsterton, wobei er sich vor und zurück wiegte, küsste das Grab ein zweites Mal, zog ein Stück Papier aus der Tasche und legte es auf die anderen.
    Hoffman stürmte hinaus und wartete, bis Arkadi nachkam.
    »Der Besuch beim Rabbi ist vorbei. Zufrieden?«
    »Es war interessant.«
    »Interessant?« Hoffman lachte. »Okay, hier mein Vorschlag zur Güte. Zwischen Paschas und Timofejews Tod besteht ein Zusammenhang. Und es spielt keine Rolle, dass der eine in Moskau und der andere hier gestorben ist oder das eine angeblich Selbstmord und das andere eindeutig Mord war.«
    »Wahrscheinlich nicht.« Arkadi beobachtete, wie Jakow aus der Gruft kam und Vanko abschloss.
    »Deshalb wäre es gut«, fuhr Hoffman fort, »wenn Sie sich auf Timofejew konzentrieren, und ich konzentriere mich auf Pascha. Aber wir werden uns abstimmen und Informationen austauschen.«
    »Heißt das, dass Jakow mich nicht erschießen wird?«, fragte Arkadi.
    »Vergessen Sie’s, das gilt nicht mehr.«
    »Weiß Jakow, dass es nicht mehr gilt? Vielleicht ist er schwerhörig.«
    »Keine Sorge«, erwiderte Hoffman. »Entscheidend ist, dass ich nicht abreise, folglich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ich stehe Ihnen im Weg, oder wir arbeiten zusammen.«
    »Wie denn? Sie sind weder Polizist noch Ermittler.«
    »Das Band, das wir uns eben

Weitere Kostenlose Bücher