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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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mal.«
    »Das habe ich doch schon mal gehört.«
    Viktor setzte ein bitteres Lächeln auf. »Ja, es ist wie in alten Zeiten.« Er lockerte seine Krawatte, stand auf und betrachtete sich im Cafefenster, dann setzte er sich wieder und winkte dem Ober. »Noch zwei Kaffee, mit einem Spritzer Wodka.«
    Die Sache mit Anton Obodowski war eine, wie Viktor es ausdrückte, unverhoffte Dreingabe. Viktor war zwei Tage zuvor nach Kiew geflogen, um sich mit Hoffman zu treffen, und wie es der Zufall wollte, saß Anton in derselben Maschine. Anton reiste mit leichtem Gepäck und hatte nicht einmal ein Bordcase dabei. Viktor ging davon aus, dass er ihn nach der Landung aus den Augen verlieren würde, da er annahm, er würde in die Unterwelt von Kiew abtauchen, wo er noch ein paar billige Gaststätten und Läden besaß. Er war wie jeder normale Geschäftsmann, der über Wohnungen in zwei verschiedenen Städten verfügte, nur dass die Adressen seiner Wohnungen niemand kannte. In Antons Branche war Geheimhaltung die Voraussetzung für eine ungestörte Nachtruhe. Aber der Zahnarzt konnte schlecht seine Bohrer zusammenpacken und Hausbesuche machen, und Viktor hatte Anton nachspioniert, als er über den Platz zu seinem Termin gegangen war.
    »Jetzt, wo sich Bobby mit dir die Überwachungsvideos angesehen hat«, sagte Viktor, »ist er davon überzeugt, dass Obodowski der falsche Kammerjäger mit dem Koffer war. Anton ist kräftig genug, er hat Iwanow am Telefon gedroht, und er ist erst am Nachmittag ins Butyrka eingeliefert worden. Er hatte ein Motiv, die Mittel und die Gelegenheit. Außerdem ist er ein Killer. Da kommt er.«
    Anton trat aus der Tür und befühlte seinen Kiefer, wie um zu zeigen, dass alle Muskeln dieser Welt keinen Schutz vor einer Zahnvereiterung boten. Wie gewöhnlich trug er einen dunklen Armani, und mit seinem gebleichten Haar war er leicht auszumachen. Ihm folgte eine kleine, dunkelhaarige Frau Mitte dreißig in einem eleganten Mantel.
    »Der Zahnarzt ist eine Frau? Ist sie so gut, dass er extra aus Moskau herkommt?«
    »Das ist noch nicht der ganze Anhang«, erwiderte Viktor.
    »Sieh dir die an.« Die Frau, die als Letzte aus der Tür trat, war in den Zwanzigern, groß gewachsen, mit honigfarbenen Locken, in einem engen Jeanskostüm mit silbernen Knöpfen. Sie hakte sich bei Anton unter. »Die Zahnhygienikerin.«
    Nachdem die Zahnärztin die Haustür abgeschlossen hatte, gesellte sich das tanzende kleine Mädchen zu ihr. Es war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Offensichtlich ihre Tochter. Das Mädchen zeigte auf einen Stelzenläufer ein Stück den Platz hinauf, wo es eine Art öffentliche Promenade gab, die Porträtmaler und Gaukler anlockte. Sie wandte sich bettelnd an Anton, und der zuckte aufgeräumt mit den Schultern und ging, die Zahnhygienikerin am Arm, mit kräftigen Schritten voraus, dicht gefolgt von dem Mädchen, das um seine Mutter herumhüpfte. Arkadi und Viktor hielten dreißig Meter Abstand. Sie verließen sich darauf, dass Anton nicht nach einem Moskauer Chefinspektor in einem ukrainischen Tarnanzug Ausschau hielt oder gar damit rechnete, einen Zigarre paffenden Viktor im edlen Zwirn hier anzutreffen.
    »Bobby glaubt«, erklärte Viktor, »dass Anton von Nikolai Kusmitsch bezahlt wurde. Der Van stammte aus einer von Kusmitschs Firmen, was liegt also näher?«
    »Kusmitsch hat eine Kammerjägerfirma? Ich dachte, der macht in Nickel und Zinn.«
    »Und in Ungeziefer. Außerdem verlegt er Fernsehkabel und besitzt eine Fluglinie. Im Schnitt kauft er eine Firma pro Monat. Ich glaube, die Kammerjägerfirma und die Fluggesellschaft, irgendeine asiatische Linie, hat er zusammen erworben.«
    »Aber Anton ist ein Autodieb. Der braucht keine Hilfe, um einen Van zu beschaffen.«
    »Glaubst du, die Sache mit Kusmitschs Van war ein Täuschungsmanöver?«
    »Ich halte es jedenfalls für unwahrscheinlich, dass ein kluger Mann ein Fahrzeug benutzt, als dessen Besitzer er leicht zu ermitteln ist, und Kusmitsch ist ein sehr kluger Mann.«
    Der Stelzenläufer, der mit seinem roten Kosakenmantel und dem kegelförmigen Hut prächtig aussah, blies Luftballons auf und knetete Tiere daraus. Anton kaufte dem Mädchen einen röhrenförmigen blauen Hund. Sowie das Geschenk überreicht war, verabschiedete sich die Zahnärztin mit einem höflichen Handschlag von Anton und zog ihre Tochter fort. Viktor und Arkadi beobachteten sie von einem Stand aus, an dem Cds angeboten wurden, und Arkadi fragte sich, ob sich das Mädchen ein

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