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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Leben lang zu gefährlichen Männern würde hingezogen fühlen. Für die Zahnhygienikerin galt dies offensichtlich.
    »Die Hygienikerin trägt eine Diamantnadel mit ihrem Namen, Galina«, sagte Viktor. »Als sie mit der hüpfenden Nadel vorübergegangen ist, hat meine Erektion fast den Tisch umgeworfen.«
    Die Zahnärztin bog mit ihrer Tochter in Richtung Metrostation ab, während Anton und Galina zu einer hell erleuchteten Glaskuppel weiterschlenderten und in einen Aufzug stiegen, der die Kundschaft in eine unterirdische Einkaufspassage beförderte, ein aus Boutiquen bestehendes Bohrloch, in dem es französische Mode, polnisches Kristall, spanische Keramik, russische Pelze, japanische Computerspiele und ätherische Öle für Aromatherapien gab. Viktor und Arkadi nahmen die Treppe.
    »Jedes Mal«, sagte Viktor, »wenn ich glaube, dass Russland im Arsch ist, denke ich an die Ukraine, und schon geht es mir besser. Als sie das Loch für die Einkaufspassage gebuddelt haben, sind sie auf Überreste des Goldenen Tors gestoßen, der alten Stadtmauer. Eine archäologische Kostbarkeit. Die Stadt wusste, dass es einen Baustopp geben würde, wenn man den Fund bekannt gab. Also hat man den Mund gehalten und alles zugeschüttet. Sie verlieren ein Stück Identität, aber sie bekommen McDonald’s.«
    In jedem Laden schlug Anton Angst entgegen, und Sicherheitsleute in der Passage grüßten ihn so achtungsvoll, dass Arkadi sich fragte, ob er möglicherweise in der einen oder anderen Boutique stiller Teilhaber war. Die schöne Galina tauschte ihre Jeansjacke gegen einen Pullover aus Mohairwolle ein. In einem Geschäft für Damenunterwäsche schlüpften sie und Anton in die Umkleidekabine, während Arkadi und Viktor im Laden gegenüber Kochgeschirr begutachteten. Die gläserne Transparenz der modernen Einkaufspassage kam der Observation sehr entgegen.
    »Den ganzen Tag im Zahnarztstuhl«, kommentierte Viktor, »und Obodowski hat nur Sex im Kopf. Das muss ihm der Neid lassen.«
    Arkadi hatte den Eindruck, dass Anton mit seinem Einkaufsbummel mehr die Absicht verfolgte, sich zu zeigen. Ein Fürst der Straße, der Respekt einforderte. Oder ein Hund, der sein altes Revier markierte.
    »Anton ist gebürtiger Ukrainer. Ich muss wissen, woher genau er stammt. Sag mir Bescheid, wenn er hier bleibt. Ich fahre nach Tschernobyl zurück.«
    »Bleib hier, Arkadi. Scheiß auf Timofejew, scheiß auf Bobby. Das ist es nicht wert. Seit ich wieder mit Ljuba zusammen bin, habe ich nachgedacht. Niemand vermisst Timofejew. Er war Millionär, na und? Er war ein Haufen Geld, den es weggeblasen hat. Keine Familie. Keine Freunde, nachdem Iwanow tot war. Wirklich, ich glaube, was ihm und Iwanow passiert ist, kann nur ein Fluch gewesen sein.«
    Die Rückfahrt gestaltete sich wie ein Hindernisrennen über eine unbeleuchtete, mit Schlaglöchern übersäte Landstraße, und eigentlich wollte Arkadi nur noch schlafen und vergessen. Umso überraschter war er, als er Eva Kaska vor seiner Tür warten sah, als käme er zu spät zu einer Verabredung. Sie zog kräftig an einer Zigarette. Alles an ihr war hart, der Ausdruck ihrer Augen, der Zug um ihren Mund. Sie trug wie üblich Camo und Halstuch.
    »Ihr Freund Timofejew war ganz weiß. Sie stellen so viele Fragen, dass ich mir gedacht habe, das würde Sie vielleicht interessieren.«
    »Möchten Sie mit reinkommen?«, fragte Arkadi.
    »Nein, der Flur tut’s auch. Anscheinend haben Sie keine Nachbarn.«
    »Einen. Vielleicht ist in der Zone noch Vorsaison.«
    »Vielleicht«, sagte sie. »Es ist nach Mitternacht, und Sie sind nicht betrunken.«
    »Ich hatte zu tun.«
    »Sie sind aus dem Rhythmus. Sie müssen mit den Leuten in Tschernobyl Schritt halten. Vanko hat Sie im Cafe gesucht.«
    Sie wurden unterbrochen. Campbell, der britische Ökologe, trat in Unterhemd und Unterhose auf den Flur. Er torkelte und kratzte sich. Eva war beiseite getreten, und offenbar bemerkte er sie überhaupt nicht.
    »Towarischtsch! Genosse!«
    »Die Leute sagen das eigentlich nicht mehr«, entgegnete Arkadi. Tatsächlich hatten sie es selten getan. »Na jedenfalls guten Abend! Wie fühlen Sie sich?«
    »Prima.«
    »Ich habe Sie nirgends gesehen.«
    »Das werden Sie auch künftig nicht. Ich habe ein hübsches Paar nicht verstrahlter Eier mitgebracht, und die will ich auch wieder mitnehmen. Ich habe mich für den Aufenthalt eingedeckt. Hauptsächlich mit Whisky. Schauen Sie doch mal auf einen Sprung vorbei. Ich entschuldige mich schon im Voraus

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