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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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angesehen haben, gehört Ihnen.«
    »Ich kenne es bereits.«
    »Was bieten Sie mir dafür? Nichts?«
    Vanko war außer Hörweite geblieben, entfernte sich aber nur widerstrebend, denn hier war vielleicht noch etwas zu verdienen. Kaum stockte die Unterhaltung, machte er sich an Arkadi heran und fragte, als wollte er hilfsbereit den Besuch einer weiteren lokalen Sehenswürdigkeit vorschlagen: »Haben Sie ihnen schon von der neuen Leiche erzählt?«
    Hoffmans Blick flog von Vanko zu Arkadi. »Nein, hat er nicht. Chefinspektor Renko, erzählen Sie uns von der neuen Leiche. Ich höre.«
    Jakows Hand blieb in der Jacke.
    »Unter einer Bedingung«, sagte Arkadi.
    »Und die wäre?«
    »Geben Sie mir Ihr Handy.«
    Bobby reichte es ihm. Arkadi schaltete es an, scrollte durch die gespeicherten Nummern bis zu der gewünschten und drückte »Wählen«.
    Eine Stimme meldete sich lakonisch: »Hier Viktor.«
    »Wo ist hier?«
    Eine lange Pause folgte. Bestimmt glotzte Viktor erstaunt auf die Anruferkennung. »Arkadi?«
    »Wo steckst du, Viktor?«
    »In Kiew.«
    »Was tust du dort?«
    Abermals eine Pause.
    »Bist du’s wirklich, Arkadi?«
    »Was tust du dort?«
    »Ich bin krankgeschrieben und privat hier.«
    »Was tust du in Kiew?«
    Ein Seufzer. »Na schön, ich sitze hier am Unabhängigkeitsplatz, verdrücke einen Big Mac und beschatte Anton Obodowski, der nur zwanzig Meter von hier an einem Shake nuckelt. Unser Freund ist wieder auf freiem Fuß und hat gerade zwei Stunden beim Zahnarzt verbracht.«
    »Sind ihm die Moskauer Zahnärzte nicht gut genug? Muss er dafür extra nach Kiew?«
    »Wenn du hier wärst, wüsstest du, warum. Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben, um es zu glauben.«
    »Bleib an ihm dran. Ich ruf dich an, wenn ich dort bin.«
    Arkadi schaltete das Handy aus und gab es Bobby zurück. Der packte ihn am Arm und sagte: »Bevor Sie fahren. Eine neue Leiche? Klingt für mich nach Fortschritt.«
    Von Tschernobyl nach Kiew brauchte man zwei Stunden mit dem Wagen. Mit dem Motorrad schaffte es Arkadi in neunzig Minuten, indem er ständig die Spur wechselte, bei Bedarf auf den Randstreifen auswich und alte Frauen umkurvte, die Obst und goldene Zwiebelzöpfe verkauften. Wenn Gänse über die Fahrbahn watschelten, bremsten die Autos, Hühner wurden über den Haufen gefahren. Ein Pferd in einem Graben, Männer, die Sand auf ein brennendes Autos warfen, Storchennester auf Telefonmasten, alles flog an ihm vorüber.
    Sowie die goldenen Kuppeln von Kiew aus dem Sommersmog auftauchten, fuhr Arkadi rechts ran und rief Viktor an, ehe er die Fahrt in einem gesünderen Tempo fortsetzte. Anton Obodowski saß wieder im Zahnarztstuhl, und es sah so aus, als sollte er dort noch eine Weile bleiben. Arkadi gondelte zunächst am Dnjepr entlang, erlitt den Schock eines Menschen, der nach langer Zeit wieder in die Großstadt zurückkehrt, und fuhr, an den Containern der Stadtsanierung vorbei, hinauf ins bohemienhafte Viertel Podil. Er hielt an der Stirnseite des Unabhängigkeitsplatzes, wo fünf Straßen strahlenförmig abgingen, Springbrunnen plätscherten und Kiew irgendwie, und mehr als Moskau, europäische Atmosphäre atmete.
    Viktor saß in einem Straßencafe und las Zeitung. Arkadi ließ sich in den Stuhl neben ihm fallen und winkte dem Ober.
    »Nicht doch«, meinte Viktor. »Die hiesigen Preise kannst du dir nicht leisten. Du bist mein Gast.«
    Arkadi lehnte sich zurück und ließ den Blick über den Platz schweifen. Belaubte Bäume, Straßenkünstler und Kinder, die nach Wassertropfen schnappten, die der Wind von den Brunnen blies. Gebäude im klassischen Sowjetstil säumten die Längsseiten des Platzes, doch an der Stirnseite standen helle, luftige Neubauten mit bunten Reklametafeln.
    Viktor bestellte zwei türkische Kaffee und eine Zigarre. Solch eine Großzügigkeit von ihm war neu.
    »Wie siehst du denn aus?«, fragte Arkadi. Ein italienischer Anzug mit Seidenkrawatte machte Viktors unvorteilhafte Erscheinung erträglicher.
    »Geht auf Bobbys Spesenkonto. Aber schau dich mal an. Militärischer Tarnanzug. Wie einem Actionfilm entsprungen. Aber du siehst gut aus. Radioaktivität scheint dir nicht schlecht zu bekommen.«
    Der Kaffee kam. Viktor zündete sich genüsslich die Zigarre an, deren blauer Rauch einen ledernen Geruch verbreitete.
    »Eine Havanna. Bobby erwartet, dass man ihn bestiehlt. Das ist das Gute an ihm. Das Schlechte ist Jakow. Jakow ist alt, und er ist mir unheimlich. Er ist mir deshalb unheimlich, weil er in

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