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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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nicht allein war. Irgendetwas huschte an ihm vorbei, zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite, aber es war kein Vogel, der Deckung suchte, und keine Katze. Wenn er stehen blieb, umkreiste es ihn. Wenn er weiterging, hielt es mit ihm Schritt. Dann blieb es stehen, und er kam sich lächerlich vor, obwohl es ihm kalt über den Rücken lief.
    »Alex? Vanko?«
    Es kam keine Antwort, nur das Säuseln der Blätter über ihm. Dann ertönte ein Lachen in der Dunkelheit. Er klemmte sich Vankos Videokassette unter den Arm und schritt kräftiger aus. Noch knappe fünfzig Meter bis zur Lampe am Wohnheim. Er hatte keine Angst. Er war nur ein Mann, der sich um Mitternacht die Beine vertrat. Etwas flog vorüber und riss ihm mitten im Schritt das Bein nach oben, so dass er auf den Rücken fiel. Aus der anderen Richtung erhielt er einen Stich in den Bauch, der alle Luft aus ihm herausquetschte. Sauerstoff schwebte dicht über ihm, und doch unerreichbar, und seine Brust produzierte das Geräusch einer trockenen Pumpe. Etwas grub sich neben seinem Ohr in die Straße. Er drehte sich weg, was ihm einen Schlag gegen den Kopf von der Seite einbrachte. Das Gleitgeräusch hielt an. Das Gesicht auf dem Asphalt, sog er seinen ersten Atemzug ein, und dann sah er eine Gestalt auf Inlinern, die sich als Silhouette gegen das Licht des Cafés in der Ferne abhob. Sie hielt einen Eishockeyschläger in den Händen und rollte auf ihn zu, den Stock zum Siegestreffer erhoben. Er wollte aufspringen, knickte aber ein, weil er kein Gefühl im Bein hatte, und bekam einen Hieb ins Kreuz. Wieder mit dem Gesicht auf der Straße, erkannte er, warum sie ihn so zielsicher trafen. Sie trugen Nachtsichtbrillen. Da er nicht mehr weiterging, umkreisten sie ihn, stießen immer wieder blitzschnell auf ihn herab und zwangen ihn, sich mal in die eine, mal in die andere Richtung zu werfen. Wenn er nach ihnen trat, zielten sie auf seine Beine. Wenn er nach einem Stock schnappte, täuschten sie an und schlugen ihn von der anderen Seite. Und dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Ein Mann trat zwischen sie und leuchtete dem nächsten Skater mit einer Taschenlampe direkt in die Augen. Der Geblendete taumelte rückwärts, und der Mann hielt ihm einen großen Revolver unters Kinn und richtete den Strahl seiner Lampe darauf, damit der zweite Skater die innige Beziehung von Kopf und Revolverlauf sah.
    Eine Stimme krächzte: »Faschisten! Wenn ich abdrücke, platzt der Kopf deines Freunds wie eine Grapefruit. Zurück, verschwindet, sonst schieße ich euch die Goj-Ärsche ab. Los, macht, dass ihr fortkommt!«
    Es war Jakow, und obwohl er halb so groß war wie der Skater, den er beim Wickel hatte, gab er ihm einen Tritt, der ihn in Richtung seines Komplizen beförderte. Die beiden steckten die Köpfe zusammen, doch das Klicken des Hahns, der gespannt wurde, kühlte ihren Mut, und sie verschwanden in der Dunkelheit auf der anderen Straßenseite.
    Arkadi rappelte sich auf und ortete, in dieser Reihenfolge, Kopf, Schienbeine, Videokassette.
    »Wenn Sie stehen können, fehlt Ihnen nichts«, meinte Jakow.
    »Was tun Sie hier?«
    »Ich bin Ihnen gefolgt.«
    »Danke.«
    »Vergessen Sie’s. Lassen Sie sich noch mal ansehen.« Der Strahl der Taschenlampe wanderte über Arkadis Gesicht. »Sie sind in Ordnung.«
    Konnte Jakow das jetzt entscheiden?, fragte sich Arkadi. Das verhieß nichts Gutes.
    Jakow hatte im Tschernobyler Yachthafen einen Campingkocher aufgestellt und bereitete für Hoffman und Arkadi ein Frühstück, bestehend aus geräuchertem Fisch und schwarzem Kaffee. Der Leibwächter arbeitete in Hemdsärmeln, so dass sein Schulterholster zu sehen war, und schien sich über den Anblick der verrosteten Schiffe zu freuen, die an den Piers lagen.
    Hoffman trommelte sich gegen die Brust wie Tarzan. »Das ist wie eine Fahrt den Sambesi hinunter. Wie in The African Queen. Nur dass die Halsabschneider hier blonde, blauäugige Ukrainer sind.«
    »Sie haben wohl gar keine Vorurteile?«, fragte Arkadi.
    »Ich sage nur«, erwiderte Hoffman, »dass das Haus, das uns ihr Kumpel Vanko besorgt hat, ein kaltes dunkles Loch ist. Von einer koscheren Küche ganz zu schweigen. Hier können wir unter freiem Himmel speisen, jedenfalls solange es nicht regnet.«
    »Ist das Haus verstrahlt?«
    »Nicht besonders. Ich weiß, ich weiß, in Tschernobyl ist das Vier-Sterne-Komfort.«
    Arkadi musterte Hoffman. Die roten Stoppeln auf den Wangen des Amerikaners wurden dichter. »Lassen Sie sich einen Bart

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