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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gar nicht wirklich geschieden. Auf dem Papier, ja. Aber nicht in meinem Herzen. Und natürlich ist es viel schlimmer, wenn man verheiratet gewesen ist. Diese Art von Intimität endet nie.«
    »Ein Exehemann hatte keine Ansprüche.«
    »Außerhalb der Zone mag das stimmen. Aber in der Zone ist alles anders, intimer. Sie sind doch ein gebildeter Mann. Wissen Sie, was der Geruchssinn ist?«
    »Ein Sinn eben.«
    »Mehr als das. Der Geruch ist die Essenz, die Bindung freier Moleküle an das eigentliche Ding. Wenn wir einander wirklich sehen könnten, würden wir Wolken loser Moleküle und Atome sehen. Wir triefen davon. Mit jedem Menschen, dem wir begegnen, tauschen wir welche aus.
    Deshalb riechen Liebende nacheinander. Sie haben sich so vollständig verbunden, dass sie praktisch dieselbe Person sind. Kein Gericht, kein Stück Papier kann sie jemals trennen.« Alex fasste nach Arkadis Hand und drückte sie zusammen. Seine eigene Hand war breit und kräftig vom Fallenstellen. »Wer weiß, wie viele tausend Moleküle wir in diesem Moment austauschen?«
    »Woher wissen Sie das, aus der Ökologie?«
    Alex drückte noch fester. Seine Hand wurde ein Schraubstock mit fünf Fingern. »Aus der Natur. Geruch, Geschmack, Tastsinn. Sie haben Bilder von ihr im Kopf, mit einem anderen Mann. Sie kennen jeden Zentimeter ihres Körpers, innen und außen. Jede kleinste Besonderheit. Dieses Zusammenwirken von Erfahrung und Phantasie treibt Sie zum Wahnsinn. Da Sie mit ihr geschlafen haben, wissen Sie sogar, was ihr Vergnügen bereitet. Sie hören sie. Die Vorstellung, wie sie sich körperlich mit jemandem vereint, ist zu viel. Ein Wolf würde das niemals hinnehmen. Was, würden Sie sagen, sind Sie: ein Wolf oder ein Hund?«
    Arkadi ballte seine Hand vorsichtshalber zur Faust. »Ich würde sagen, ein Igel.«
    »Sehen Sie, genau so eine Antwort würde Eva gefallen. Ich weiß, zu welchem Typ Mann sie sich hingezogen fühlt. Ich wusste es, als sie sagte, dass sie Sie nicht mag.«
    »War es so offensichtlich?«
    »Sie sehen einander sogar ähnlich, das gleiche dunkle Haar, die gleiche seelenvolle Blässe, wie Bruder und Schwester.«
    »Ist mir nicht aufgefallen.«
    »Ich sage nur, dass Sie es nicht ausnutzen sollen, falls sich eine Gelegenheit ergibt, Eva zuliebe. Ich frage Sie als Freund, als Ihr erster Freund in der Zone: Läuft da was zwischen Ihnen und Eva?«
    »Nein.«
    »Das ist gut. Wir wollen uns doch keine Revierkämpfe liefern, oder?«
    »Nein.«
    »Denn Sie sind ja nur Ihrer Untersuchung wegen hier in der Zone. Also sehen Sie zu, dass es dabei bleibt.« Alex ließ los. Das Blut war aus Arkadis Hand gewichen. Sie sah aus wie gequetschter Ton, und er widerstand der Versuchung, sie zu dehnen, um festzustellen, ob noch alles funktionierte. »Hatten Sie nicht noch Fragen? Nur zu.«
    »Wie ich höre, arbeiten Sie aus Gesundheitsgründen nur jeden zweiten Monat in der Zone. Was machen Sie in der übrigen Zeit in Moskau?«
    »Gute Frage.«
    »Was machen Sie?«
    »Ich besuche verschiedene Umweltinstitute, fasse die Ergebnisse meiner Forschungen zusammen, die ich hier angestellt habe, halte Vorträge, schreibe.«
    »Ist das einträglich?«
    »Offensichtlich haben Sie nie für eine wissenschaftliche Zeitschrift geschrieben. Das tut man nur um der Ehre willen.«
    Alex erzählte amüsant von einem wissenschaftlichen Kongress über den Bandwurm, bei dem die hungrigen Forscher stets in Reichweite der Kanapees geblieben waren. Dann unterhielt er sich mit Arkadi ganz normal über alltägliche Themen wie Filme, Geld und Moskau, doch auf einer anderen, sprachlosen Ebene hatte Arkadi das Gefühl, dass der andere ihn zu Boden geschlagen hatte und nun breitbeinig über ihm stand.
    Auf dem Weg ins Wohnheim hörte Arkadi den gedämpften Flügelschlag eines Ziegenmelkers, der Nachfalter jagte. Er hatte das Cafe verlassen, als er merkte, dass Alex nach Eva Ausschau hielt, und begriff, dass Alex nur ausharrte, um zu sehen, wie er und sie sich verhalten würden, um auf Zeichen von Unsicherheit und andere verräterische Fingerzeige zu lauern, die einem Exehemann nicht verborgen bleiben konnten. Die Moleküle und Atome, die aneinander hafteten.
    Die Straßenlaterne war verlöscht, seit Arkadi mit Vanko unter ihr hindurchgegangen war. Das einzige Licht im Wohnheim war die trübe Funzel am Vordereingang, und dort, wo Bäume den Mond verdeckten, lag die Straße in tiefem Dunkel.
    Arkadi störte das eigentlich nicht. Nur hatte er das unangenehme Gefühl, dass er

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