Treuepunkte
gerne noch den Picknickrucksack angeboten, denn dann könnte er mit Frau Michels ab sofort immer lauschig in der Kanzlei essen – mit Belle Michelle, wie Michelle liebevoll hinter ihrem Rücken von den männlichen Kollegen genannt wird. Solche Frauen gehören wirklich verboten. Sie schwächen die Moral der Basis. Also der Frauen, die wie ich die Fronarbeit leisten: Kinder, Küche und Co.
Gut, dass ich nicht in einem Anfall von Großmut den
Bademantel für meinen Mann genommen habe. Obwohl, sollte er mal mit Belle Michelle in die Sauna wollen (zum Was-Durchsprechen oder so), kann er ja schlecht sein nahezu verwestes Teil anziehen.
Mein Picknickrucksack und ich fahren nach Hause. Wird sicherlich ein toller Abend! Christoph mit Belle Michelle beim lauschigen Abendessen im Restaurant und ich mit zwei Kindern, die Nahrung haben wollen, in die Wanne müssen und garantiert rumzanken.
Ich sammle die Kinder bei den diversen Freunden ein und freue mich auf übermorgen.
Übermorgen gehe ich zum Arbeitsamt, vielmehr zur Agentur für Arbeit. Ich will endlich wieder einen Job. Die Kinder sind, wie man so schön sagt, aus dem Gröbsten raus und ich möchte auch die Chance haben, zu einer Belle Michelle mutieren zu können. Obwohl Belle Andrea schon wesentlich weniger attraktiv und irgendwie auch verdammt affig klingt. Aber mit einem Kollegen (der ganz zufällig haargenau so aussieht wie Brad Pitt!!) abends nochmal was durchsprechen zu müssen, klingt ziemlich reizvoll. Nicht dass ich extrem rachsüchtig wäre, doch allein der Anruf bei Christoph, »du warte nicht, ich muss mit dem schönen Brad noch das eine oder andere klären!« – herrlich.
Bin gespannt, was die Fuzzis von der Agentur für Arbeit mir vorschlagen. Viel erhoffe ich mir nicht. Ich meine, man kennt ja die Berichte aus dem Fernsehen. Die vollen Gänge, die Nummernschalter und die bleichen deprimierten Gesichter der Wartenden. Aber man soll ja nicht verzagen, ohne es überhaupt probiert zu haben.
Die Chancen, eine Anstellung zu finden, sind in meinem Fall sicherlich begrenzt. Ich bin nun mal nur sehr eingeschränkt flexibel. Eingeschränkt flexibel. Gibt’s das überhaupt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Ein Ausschlusskriterium? Aber mit zwei Kindern kann ich nun mal nicht heute in Cottbus und morgen in München sein. Und auch nächtelanges Durcharbeiten scheint nicht kompatibel. Der Hort macht irgendwann zu und die Geduld der Erzieherinnen, was verspätetes Abholen angeht, hält sich in Grenzen. Auf meinen ehemaligen Arbeitgeber, den Sender Rhein-Main-Radio-und- TV , kann ich nicht bauen. Die Fernsehsendung, für die ich gearbeitet habe, »Raten mit Promis«, ist mittlerweile abgesetzt. Die Einschaltquoten waren fast nur noch unter dem Mikroskop sichtbar. Quotenspurenelemente sozusagen. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hatte, dass ich im Team gefehlt habe, aber der Gedanke, dass mein Weggang die Sendung ins Aus katapultiert haben könnte, ist einfach herrlich. Die freiberuflichen Redaktionsmitarbeiter sind entlassen und die wenigen Festangestellten in andere Abteilungen verschoben. Der Moderator, der unsägliche Will Heim, moderiert mittlerweile bei einem Homeshopping-Kanal. Welche Demütigung! Obwohl ich ihn nie mochte, tut er mir doch ein wenig Leid. Ich hätte aus lauter Mitleid fast schon mal ein Sushi-Messerset bei ihm gekauft, konnte mich aber in letzter Minute dann doch noch beherrschen. Vor allem, weil ich zugegebenermaßen eher selten Sushi selbst mache. Ehrlich gesagt nie. Christoph hasst Fisch, und die Kinder zucken schon bei Fischstäbchen zusammen. Von rohem Fisch gar nicht erst zu reden.
Zurück in meine ganz alte Firma will ich einfach nicht
und ich glaube, ich hätte auch nicht wirklich eine Chance. Ich habe einige Jahre in meinem erlernten Beruf als Speditionskauffrau gearbeitet. Nur – die Speditionsbranche kränkelt und von der alten Mannschaft sind schon vier geschasst worden. Es sieht also nicht so aus, als würden die auf mich warten. Andererseits – irgendwo da draußen in der Welt der Arbeitenden muss es doch auch eine Aufgabe für mich geben. Ich versuche, optimistisch zu sein. Nicht grämen, bevor es nicht auch einen Anlass dazu gibt. Vorbeugend pessimistisch zu sein, mag helfen, die spätere Enttäuschung zu mildern, allerdings ist man dann auch vorher schon geknickt und das ist im Großen und Ganzen doch eher furchtbar. Also – vielleicht bin ich ja ab übermorgen wieder eine berufstätige Frau. Wenigstens
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