Treuepunkte
mehrwöchigen Heimaufenthalt zurückgekommen. Die lasse ich mir nicht auch noch abspenstig machen. Claudia ist verwirrt. Ganz so theatralisch ist meine Begrüßung sonst normalerweise nicht.
Jetzt geht es mir schon besser. Ich muss die Kinder nur noch ordentlich auf heute Abend einstimmen. Den zwei Turteltäubchen werde ich ihren lauschigen Abend schön versauen. Mit den Kindern muss ich heute Nachmittag etwas unternehmen, dass sie gegen Abend so richtig durch den Wind sind. Belle Michelle soll sehen, was sie sich da Lustiges angelacht hat. Dass mein Mann einfach so, ohne
sich zu verabschieden oder nochmal hochzukommen, abgerauscht ist, ist ein eindeutiges Signal.
Für heute Nachmittag lade ich ein paar Freunde der Kinder ein. Ich überlege lange und suche mit Bedacht die chaotischsten und unordentlichsten von allen aus. Für jedes Kind gleich drei Freunde. Acht Kinder sollten reichen, ein schönes Durcheinander anzurichten. Den Müttern sage ich, dass es reicht, sie erst gegen viertel nach sieben wieder abzuholen. Alle sind hocherfreut. Einen freien Nachmittag zu haben, begeistert die meisten Mütter (alle die, die noch bei Verstand sind jedenfalls!). Ein bisschen ärgerlich ist nur, dass ich erst heute das ganze Haus geputzt habe. Wenn diese Horde von Kindern hier durchgezogen ist, wird man davon sicherlich nichts mehr sehen. Schon deshalb beende ich sofort die Putzarbeiten im Haus und widme mich meinen ganz persönlichen Putzarbeiten am eigenen Körper. Belle Michelle wird staunen, welche Metamorphose ich an einem Nachmittag vollziehen kann. So wie vorhin wird die mich nie mehr sehen. Das war ja eine Szene wie aus Aschenputtel.
Schon wieder piepst mein Handy. Eine weitere SMS von Helmuth. »Warum antwortest du nicht? Das tut mir weh, weh!« Der gebärdet sich ja gerade so, als hätte ich ihm die Ehe versprochen und er mir schon Dutzende SMS geschrieben. Aber stimmt – vorhin in meiner Kinderzimmerheulphase hat das Handy schon mal gepiept. Ich öffne den Mitteilungsspeicher und tatsächlich – da ist mir eine durch die Lappen gegangen. »Ich vermisse dich, du Hübsche, Hübsche! Dein Helmuth.« Aber warum ist die
im Speicher? Meine Technikkenntnisse sind zwar nicht sehr profund, aber ich weiß, dass man eine Mitteilung erst gelesen haben muss, bevor sie in den Speicher wandern kann. Wer hat meine SMS gelesen?
War das etwa Christoph? Geht der einfach so an mein Handy? Wenn er es war, dann erklärt das allerdings einiges. Zum Beispiel, warum er, ohne sich zu verabschieden, aus dem Haus gegangen ist. Ich stelle mir vor, ich hätte bei ihm auf dem Handy eine SMS gelesen mit: »Ich vermisse dich, du Hübscher, Hübscher.« Ich glaube, da wären mir auch alle Sicherungen durchgebrannt. Auf der anderen Seite, sein Erscheinen mit Belle Michelle, seine blöden Bemerkungen – das war auf jeden Fall alles passiert, noch bevor er die SMS gelesen hat. Sollte ich ihm eine Erklärung liefern? In mir rumort es. Wenn ich ihm alles erkläre, muss ich ihm auch sagen, dass ich ab morgen früh seine neue Kollegin sein werde und dass Helmuth mein Zeitarbeitsvermittler ist. Das allein erklärt natürlich noch nicht, warum ich dann direkt mit ihm ausgegangen bin und er mir jetzt heißblütige SMS sendet. Eine komplizierte Geschichte. Außerdem bin ich ja nur mit Helmuth ausgegangen, weil Christoph diese merkwürdige Belle-Michelle-Geschichte am Laufen hat. Und ehrlich gesagt: Schon für den heutigen Auftritt hat er einiges verdient. Gibt es Schlimmeres, als die potenzielle Rivalin einfach so ins Haus zu schleppen? Nein.
Ich entscheide mich deswegen, Christoph nicht anzurufen und keine Erklärung abzugeben. Wenn er was wissen will, kann er ja fragen. Oder – je nachdem, wie die Begrüßung heute Abend ausfällt, entscheide ich, ob er weitergehende Informationen erhält oder eben nicht.
Der Nachmittag ist wesentlich entspannter als sonst. Ich kümmere mich einfach nicht darum, was die Kinder machen. »Nehmt euch Süßigkeiten aus der Schublade, was immer ihr wollt, ihr könnt drinnen und draußen spielen, mit allem, was in den Zimmern so zu finden ist.« Die Kinder, meine eigenen eingeschlossen, schauen sehr verwundert. Ich gelte ansonsten als eher streng. Und dann so was! Aber Botschaften wie »ihr dürft machen, was ihr wollt« lassen sich Kinder nicht zweimal sagen. Aber eine Regel für den Nachmittag gebe ich dann doch noch aus: »Das Einzige, woran ihr euch halten müsst: Ihr lasst mich in Ruhe und macht kein offenes
Weitere Kostenlose Bücher