Treuepunkte
Wahnsinns-Club ist weit und breit nichts zu sehen. Aber zwei Typen kommen auf uns zu. Das muss Kai-Uwe mit seinem Freund sein. »Elfe, bist du das?«, ruft einer der beiden. »Elfe?«, ich schaue Sabine fragend an. »Elfe ist mein Name im Netz«, gesteht sie. Manchmal fällt es sogar schwer, Freundinnen zu verstehen. Elfe! Meine Güte. Ziemlich albern. Die Männer kommen auf uns zu. Ich bin überrascht. Einigermaßen angenehm überrascht. Auf den ersten Blick, jedenfalls im Dämmerlicht, sind keine nennenswerten Makel zu sehen.
Ich mache den ersten Schritt. »Hallo, ich bin Andrea«, begrüße ich die zwei. »Kai-Uwe, hallo«, antwortet der Größere der beiden und gibt mir die Hand. Immerhin – er kennt die Grundregeln einer Begrüßung. Das kann man heutzutage nicht von jedem behaupten. »Bist du die Elfe?«, fragt er und ich höre einen erstaunten Unterton
heraus. Gut, ich bin nicht direkt eine Elfe, aber so weit entfernt davon nun auch wieder nicht. »Ich bin’s, Elfe«, kommt Sabine hinter mir hervor und guckt verschüchtert wie eine Dreijährige am ersten Kindergartentag. Man kann kaum glauben, dass es sich um die gleiche Frau handelt, die eben noch vor dem Computer so forsch dahergeredet hat. Kai-Uwe scheint zu gefallen, was er sieht. »Elfe«, sagt er begeistert und schließt Sabine in seine Arme. Kai-Uwe ist groß. Bestimmt ein Meter neunzig. Eine Art Offenbacher Michael Ballack. Gutaussehend – keine Frage, aber irgendwie doch etwas gewöhnlich. Ich finde ja auch den Ballack nicht besonders umwerfend, bin mit dieser Meinung aber allein auf weiter Flur. Sabine scheint nämlich durchaus sehr angetan. Sie strahlt und wirft ihren Kopf in den Nacken. Ein untrügliches Zeichen, dass ihr gefällt, was sie sieht.
Sein Freund, gut einen Kopf kleiner, ist unauffällig und hat was von Helmuth. Bei genauer Betrachtung hat er nicht nur was von Helmuth – es ist Helmuth. Der Helmuth, der mir vorhin noch schmachtende SMS geschickt hat. »Helmuth, du hier?«, ist meine wenig souveräne Begrüßung. Da hat sich einer aber schnell getröstet. Eben noch hat er mich schrecklich vermisst und schon trifft er sich, mitten in der Nacht, mit fremden Frauen. Dass ich eine davon sein würde, hat er mit Sicherheit nicht angenommen. Der lässt ja wirklich keine Gelegenheit aus. Obwohl Helmuth nun wirklich jenseits meines Beuteschemas ist, bin ich dennoch leicht verschnupft. Das gehört sich irgendwie nicht. Helmuth ist es auch peinlich. Ich sehe es ihm an. So gut kenne ich ihn mittlerweile schon. »Na, Helmuth. Hätte ich nicht gedacht, dich hier
zu sehen«, begrüße ich ihn bedeutungsvoll. »Sabine, das ist Helmuth. Ich habe dir schon von ihm erzählt«, stelle ich die beiden vor. Kai-Uwe ist verwundert. »Ihr kennt euch schon?«, fragt er. Helmuth nickt und gibt uns brav die Hand.
»Ja. Dann können wir ja los. Wo ist denn der wundersame Club?«, bringe ich ein wenig Bewegung in die Sache. »Also, na ja, der ist hier direkt um die Ecke«, stottert Helmuth, »ich war auch noch nicht da, aber Kai-Uwe geht oft hin und hat mir einiges erzählt.« Er wirkt ziemlich verlegen. Geschieht ihm recht. Wir stapfen los. Sabine ist schon wieder mal Feuer und Flamme. Ihr Ziegenbart-Flirt ist anscheinend schon vergessen. Ich mache ihr ein kleines Zeichen, streiche mir übers Kinn und lache. Sie lacht zurück. »Flexibilität ist das Zauberwort der Singles«, kontert sie und ich weiß nicht, ob ich das bewundern oder doch eher blöd finden soll. Kai-Uwe bleibt vor einem kleinen Häuschen stehen. »Hier ist es«, sagt er. Kein Schild, keine Neonreklame – das scheint ja ein wirklicher Geheimtipp zu sein. »Ist das nur für geladene Gäste oder eine Privatparty?«, will ich wissen. Oder schleppt der uns etwa einfach zu sich nach Hause? Kai-Uwe antwortet gar nicht und drückt auf einen Klingelknopf. Die Tür hat ein Guckloch und man merkt, dass sich gleich dahinter was tut. Irgendwie schon aufregend.
Die Tür geht auf und eine Frau in Unterwäsche steht vor uns. Es ist ein lauer Abend – aber so heiß, dass man sich die Klamotten vom Leib reißen muss, ist es nun doch nicht. »Willkommen im Wunderhäuschen!«, sagt die Halbnackte in der Tür. »Kommt schnell rein!« Bevor ich
irgendwelche Bedenken anmelden kann, sind wir schon drin. Also ein Trendclub ist das garantiert nicht! Es sieht wesentlich spießiger aus als in allen Reihenhäusern unserer Siedlung (und das will was heißen). »Männer fünfzig Euro, Frauen haben freien Eintritt«,
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