Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
»Dann habe ich also das Richtige getan?«
Ich reckte den Hals, um über ihren Kopf hinweg in die Küche zu spähen, wo Clayton am Tisch saß, den Kopf zwischen den Knien, und sich die Haare raufte. Ein Häufchen Elend.
Ich betrachtete Rani, deren dunkle Wimpern tränennass schimmerten. In ihrem entzückenden Gesicht spiegelte sich Verunsicherung. Sie sah aus wie eine Prinzessin aus einem Märchen, das von weit entfernten Ländern, fremden Kulturen erzählt. Ein Märchen ohne Happy End. Die Prinzessin war soeben mit der unerfreulichen, schmerzhaften Realität konfrontiert worden.
Die Frage, die sie mir gestellt hatte, hörte ich nicht zum ersten Mal. Und wie immer gab ich dieselbe Trost spendende Antwort: »Ja, Rani. Es war richtig, mich zu engagieren.«
9
Die Kunst des Bluffens
Okay, ich geb’s zu.
Rani hatte mir ein, zwei Tipps gegeben. Etwa, dass Clayton auf Karaoke steht. Sie hatte auch Def Leppard und Family Guy erwähnt, und alle anderen vermeintlichen Gemeinsamkeiten. Lauter Details, von denen sie angenommen hatte, dass Clayton sie an einem Mädchen anziehend finden würde, falls er mit dem Gedanken spielen sollte, fremdzugehen. Einschließlich der Tatsache, dass dieses Mädchen weiß sein müsste.
Rani wollte nicht, dass ich es wie üblich mit der schwarzen Karte auf dem Tisch beende. Mit der kalten, harten Wirklichkeit aus meinem Munde, während ich mir den Sweater überziehe und meinem Testobjekt einen letzten, langen, mitleidigen Blick zuwerfe, ehe ich gehe.
Das reichte ihr nicht. Sie wollte es sehen. Wollte ihn auf frischer Tat ertappen. Wollte ihm ins Gesicht sehen, wenn ihm klar wurde, was geschehen war. Er sollte wissen, dass sie Bescheid wusste, dass sie es immer wissen würde.
Das ist nicht die typische Vorgehensweise. Aber Rani war auch keine typische Auftraggeberin.
Wir hatten uns bei Barnes & Noble in der Third Street
Promenade in Santa Monica kennengelernt. Auf den ersten Blick schien es, als wollte sie dort in der Sachbuchabteilung wie ich ihren Wissensdurst stillen. Doch wie sich herausstellen sollte, interessierten wir uns für unterschiedliche Themen. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel, während ich in der Nische mit den Ratgebern die zahllosen Titel überflog, die dem Leser jede noch so tief liegende Angst zu nehmen versprachen. Sie wirkte verloren. Zog hie und da ein Buch aus dem Regal, blätterte kurz darin, stellte es seufzend und sichtlich entmutigt wieder zurück. Obwohl sie bloß eine simple Jogginghose, einen Kapuzensweater und Ugg-Pelzstiefel trug, war der ganze Raum erfüllt von ihrer exotischen Schönheit.
Ich näherte mich ihr unauffällig, tat, als wäre ich auf der Suche nach einem bestimmten Autor, bis ich einen Blick auf die Werke erhaschen konnte, die sie im Arm hielt.
Seitensprung! So legen Sie ihm das Handwerk ; Woran Sie erkennen, dass Ihr Mann Sie betrügt ; Ist er Ihnen untreu? Finden Sie es heraus!
Ich sah den Kummer in ihren Augen, als sie jeden einzelnen Titel durchblätterte. Es war ein Kummer, den diese Bücher nicht heilen konnten. Ich wusste das, und sie wusste es insgeheim auch. Aber eine andere Möglichkeit wollte ihr partout nicht einfallen.
Kein Wunder, dass sie so verloren wirkte.
Ich verspürte tiefstes Mitgefühl mit ihr. In ihrem makellosen Gesicht zeichneten sich all die schlaflosen Nächte ab, die sie damit zubrachte, den Menschen, den sie liebte, zu betrachten. All die Fragen, die ihr durch den Kopf gingen, die Antworten, die sie zu erhalten hoffte, am nächsten Morgen … oder am übernächsten, oder tags darauf. Solange sie nur endlich wieder schlafen konnte.
»Darf ich dir einen Tipp geben?« Ich deutete auf das Buch, das sie in der Hand hielt.
Sie hob beschämt den Kopf, als wäre sie von ihrer Großmutter beim Pornofilmgucken erwischt worden. Dann spiegelte ihre Miene eine gänzlich unangebrachte Dankbarkeit wider. »Keine gute Wahl?«, fragte sie mit hoffnungsvoller Stimme. Kein Zweifel – sie suchte jemanden, der sich auf dem Gebiet auskannte. Und das tat der Typ an der Infotheke, der an ein Eichhörnchen erinnerte und dessen Gürtel nicht zu den Schuhen passte, ziemlich sicher nicht.
Ich schüttelte bedauernd den Kopf. »Kann ich dir nicht sagen, ich habe es nicht gelesen.«
Rasch nahm sie ein anderes Buch aus dem Regal und hielt es hoch. »Was ist mit dem hier?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ehrlich gesagt, habe ich keins von denen gelesen.«
Sie musterte mich verwirrt. Vermutlich hielt sie mich, meinem
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