Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
fernsehen.« Er zuckte die Achseln, als wäre es völlig irrelevant, wie meine Antwort lautete.
Von wegen.
Ich zuckte ebenfalls die Achseln. »Warum nicht. Du hast nicht zufällig Family Guy ?«
Er grinste selbstgefällig. »Alle fünf Staffeln auf DVD. Du warst mir gleich sympathisch.«
Ich nickte anerkennend. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich vorhersagen können, dass er sämtliche Staffeln der Comicserie auf DVD hatte – und den Film zur Serie obendrein. Aber es verdirbt einem irgendwie den Spaß am ersten Date, wenn man in der Lage ist, in seinem Gegenüber zu lesen wie in einem offenen Buch. Zoë und Sophie würden in einer solchen Situation garantiert alles geben für meine Menschenkenntnis. Mir dagegen hängt sie mittlerweile ein bisschen zum Hals raus. Oft wäre ich gern ein bisschen mehr wie meine Freundinnen. Ich wünsche mir, ich könnte nicht schon beim Betreten eines Restaurants genau sagen, welche der anwesenden Männer ihre Frauen betrügen – oder einem Seitensprung jedenfalls nicht abgeneigt wären. Was gäbe ich darum, bei einem Kellner bestellen zu können, ohne aus der Art und Weise, wie er mich nach meinen Getränkewünschen fragt, gleich auf seine Lebensgeschichte schließen zu können. Keine automatische Mannalyse, keine Desillusionierung. Oft wäre ich gern einfach... normal.
Was natürlich ein relativer Begriff ist.
Tja, heute Abend würde ich eben so tun müssen als ob.
Wir schafften gerade mal fünfzehn Minuten unserer gemeinsamen Lieblings-Episode von Family Guy , dann beugte er sich zu mir und küsste mich. Ich leistete keinen Widerstand.
Immerhin ging er sehr behutsam vor. Eher leidenschaftlich als ungeduldig. Kitzelte spielerisch mit der Zunge meine Unterlippe. Nach wenigen Sekunden hatte ich mich auf seine Art zu küssen eingestellt. Noch eine nützliche Fähigkeit, die ich mir im Laufe der Zeit angeeignet habe.
Küssen ist ein Machtspiel. Wie Tanzen. Normalerweise führt der Mann, aber manche lassen sich lieber führen. Ich weiß nach fünf bis zehn Sekunden küssen, ob mein Gegenpart den Ton angeben will... und falls ja, zu wie viel Prozent. Es ist nämlich keineswegs eine eindeutige Angelegenheit, in der einer führt und der andere sich führen lässt. Meist ist das Verhältnis achtzig zu zwanzig, sprich, der Mann diktiert die meiste Zeit, was passiert, und die Frau darf zwischendurch mal an seiner Lippe knabbern oder ihm die Zunge in den Mund stecken.
Genau deswegen ist der erste Kuss meist so ein Gerangel, weil beide Parteien versuchen, das Verhältnis festzulegen. Er will 80: 20, sie ist 60: 40 gewöhnt. Das sorgt natürlich für Aufruhr. Nun bin ich zwar sehr für Gleichberechtigung, Frauenbefreiung und so weiter, aber ich habe mit der Zeit ein paar Dinge über den Mars und seine Bewohner gelernt. Unter anderem, dass es beim Küssen wie beim Tango tanzen ist: Die Frau muss sich führen lassen.
Aus diesem Grund war unser Kuss alles andere als ein Gerangel. Er war annähernd perfekt. Schätzungsweise 55: 45. Ich hatte gar keine Zeit, mir lange darüber Gedanken zu machen, so toll fühlten sich seine Lippen an. Es war die Art von Kuss, bei der es an allen möglichen Stellen zu kribbeln anfängt. Die Art von Kuss, bei der man froh ist, wenn man sitzt, weil einem dabei die Knie weich werden.
Ich stieß ein leises Stöhnen hervor, das keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, wie ich den Kuss fand. Es signalisierte ihm, dass ich mehr wollte.
Er stöhnte ebenfalls und schob mir die Zunge etwas tiefer in den Mund. Ich schlang ihm den Arm um den Nacken und zog ihn näher, und als er die Hände über mein schulterfreies Top gleiten ließ, zögernd am Bund verharrte, streckte ich aufmunternd die Arme in die Höhe. Nun mach schon! Schwupps,
zog er es mir aus, wobei er an meinem absichtlich schiefen Pferdeschwanz hängen blieb, sodass dieser gleich noch ein gutes Stück schiefer saß als geplant.
Mein Top, das damit hochoffiziell vom schulterfreien zum oberkörperfreien Bekleidungsstück avanciert war, landete auf dem Boden. Claytons Reaktion auf meinen trägerlosen roten Push-up-BH entsprach exakt meinen Vorstellungen. Schließlich hatte ich meine Garderobe ganz bewusst gewählt.
In meinem Leben gibt es keine Zufälle.
Ich tue nichts ohne Grund.
Damit ich jederzeit alles unter Kontrolle habe.
Denn was ich vorhersehen kann, kann ich beherrschen. Was ich berechnen kann, kann ich manipulieren. Schließlich war Clayton nur ein Mann, wie jeder andere männliche
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