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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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Ihnen zu glauben, obwohl sie allen Grund haben, Ihnen zu misstrauen. Da erfordert das Bluffen ein besonderes Talent. Es ist eine richtige Kunst.«
    Ich nickte und lächelte vor mich hin. »Ich glaube kaum, dass das Bluffen ein Problem für mich darstellt.«
    Ethan hob angesichts meines Selbstvertrauens eine Augenbraue, dann klopfte er mit dem Kartenstapel auf den Tisch und begann mit dem Austeilen. »Okay, Sie Großmaul, dann zeigen Sie mal, was Sie drauf haben.«
     
    Der Freitagabend kam, und ich war spät dran... wie immer. Diesmal allerdings nicht zu einem Auftrag, sondern zum Geburtstagsdinner
meiner Nichte, das in einem Restaurant in Westlake Village stattfinden sollte. Hastig schlüpfte ich in die Jeans, die Hannah so toll fand, zog mir ein Top von Baby Phat über, tuschte mir die Wimpern und machte mich auf den Weg.
    Ich fuhr auf die Autobahn auf und reihte mich in den zähflüssigen Verkehr ein. Die 405 glich wieder einmal eher einem Parkplatz als einer Straße. Hannahs Eltern und meine Mutter leben in Thousand Oaks, etwa fünfzig Kilometer nördlich von hier. In Südkalifornien werden Entfernungen allerdings nicht in Kilometern oder Meilen angegeben, sondern in der geschätzten Fahrzeit, und diese hängt von diversen Variablen ab. In erster Linie von Tageszeit und Wochentag.
    Das sind die beiden Faktoren, nach denen ich mich stets erkundige, wenn mich jemand fragt, wie weit es von A nach B ist. An einem Dienstag um elf Uhr vormittags beispielsweise dauert die Fahrt von mir nach Thousand Oaks etwa eine Stunde, an einem Freitagabend um fünf (wie heute) fast zweieinhalb Stunden. Am Samstag um zwei Uhr früh dagegen kann ich dieselbe Strecke in gerade mal fünfundvierzig Minuten zurücklegen (vorausgesetzt, ich presche mit rücksichtslosen hundertfünfzig Sachen durch die Gegend).
    Ehrlich gesagt, können die meisten Leute in L.A. mit Meilen- oder Kilometerangaben nicht viel anfangen. Kommt man ihnen mit »ungefähr acht Kilometer östlich von hier«, dann mustern sie einen unweigerlich, als käme man vom Mars und fragen: »Okay, wie lange brauche ich, wenn ich um halb fünf losfahre?«
    Es wird ja gemeinhin angenommen, es gäbe auf der Welt zwei Maßsysteme: einerseits das metrische, das praktisch überall außer in den USA verwendet wird, und andererseits das super-nervige, absolut unlogische amerikanische,
das nicht einmal wir Amerikaner so richtig durchschauen. Tatsächlich allerdings existiert neben diesen beiden noch ein drittes, nämlich unser südkalifornisches System, auch »Raum-Zeit-Inkontinuum« genannt.
    Und meine RZI-Berechnungen sollten sich auch diesmal wieder als korrekt entpuppen: Nach etwa zwei Stunden verließ ich den Freeway und düste über eine Allee in Richtung Restaurant. Ein Blick auf die Uhr an meinem Armaturenbrett bestätigte meine Befürchtungen: Ich kam hochoffiziell zu spät. Ich stieg aufs Gas und bereitete mich seelisch schon mal auf die Strafpredigt meiner Halbschwester Julia vor. Und just in dem Augenblick, als ich die Geschwindigkeit drosseln und abbiegen wollte, sah ich im Rückspiegel auch noch ein Blaulicht aufblitzen. Na, toll. Das hatte mir gerade noch gefehlt, dass ich mich jetzt mit einem Vorstadtpolizisten herumärgern konnte, der nichts Besseres zu tun hatte, als Strafzettel zu verteilen, nur weil mal jemand drei Stundenkilometer zu schnell gefahren war. Hüstel. Oder dreißig.
    Ich fuhr an den Straßenrand und überlegte fieberhaft, wie ich aus dieser Zwickmühle am besten wieder herauskam. Ein Hechtsprung in die Büsche schied vermutlich aus, wenn ich nicht wollte, dass in den Sechs-Uhr-Nachrichten mein Foto über den Bildschirm flimmerte. Nein, die psychologische Schiene war da viel effektiver.
    Ich warf einen Blick in den Außenspiegel. Gott sei Dank, ein männlicher Beamter. Das machte die Sache bedeutend einfacher. Ich kurbelte das Fenster hinunter, knipste das Innenlicht an und setzte mich aufrecht hin.
    »Guten Abend, Ma’am«, sagte der Polizist und trat an mein offenes Fenster.
    »Miss«, korrigierte ich ihn. Sehr höflich, um zu signalisieren, dass ich es nicht aus Verärgerung tat, sondern damit er die Möglichkeit hatte, die richtige Anrede zu verwenden.

    »Miss«, wiederholte er mit unverändert feindseliger Miene. Was hatte der »Cowboy« noch gleich gesagt? »Beim Bluffen geht es zu gleichen Teilen darum, etwas vorzuspiegeln, das nicht stimmt, und darum, den Gegenspieler zu durchschauen.«
    Mein derzeitiger Gegenspieler war verheiratet; sein

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