Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
und dann musste ich noch mehr schwindeln, um meine ursprünglichen Schwindeleien zu untermauern.
Mir war ohnehin unklar, warum Julia darauf bestand, so viel Zeit mit Mom zu verbringen. Sie entstammte der ersten Ehe meines Vaters, und ihre Mutter lebte irgendwo weit, weit weg in Connecticut oder so. Hannah sah sie vielleicht einmal im Jahr. Warum zum Geier feierte Julia den Geburtstag ihrer Tochter eigentlich nicht mit Dad und dessen neuer Freundin? Warum hing sie wie eine Klette an meiner Mutter? Als ich noch klein war, hat sie Mom immer gehasst... und mich erst recht. Nach ihrer Hochzeit bekamen wir sie kaum je zu Gesicht, aber kürzlich ist sie aus unerfindlichen Gründen in die Nachbarschaft meiner Mutter gezogen. Dort wohnt sie nun, keine drei Straßen entfernt, und tut plötzlich, als wären sie die besten Freundinnen.
Hannah stellte mich sogleich ihren Freundinnen Olivia und Rachel vor. Ich begrüßte die beiden freundlich und wartete dann auf den Beginn der Inquisition, der auch nicht lange auf sich warten ließ.
»Na, Jen, was gibt es Neues an der romantischen Front?«
Wie auf ein Stichwort verstummten und erstarrten sämtliche am Tisch sitzende Personen. Aller Augen ruhten auf mir, sogar die von Olivia und Rachel, dabei hatten mich die beiden eben erst kennengelernt.
»Bluffen Sie immer möglichst glaubhaft. Sehen Sie sich die Karten an, die bereits auf dem Tisch liegen, und basteln Sie anhand dieser Information eine glaubwürdige Story.«
»Also, ich bin neulich mit einem Typ aus dem Fitnessstudio ausgegangen. Er hieß Clayton...«
Prompt strahlte mich reihum einer nach dem anderen an, wie die Glühbirnen einer Lichterkette, die versetzt zu blinken beginnen. Julia, ihr Göttergatte, meine Mom, Hannah, ihre beiden Teenybopper-Freundinnen. Alles wartete. War er das endlich? Konnte er es sein? Clayton... klingt sympathisch... Wird er womöglich mein neuer Onkel/Schwager/ Schwiegersohn? Wird er Jen vor der drohenden Hölle der ewigen Einsamkeit retten? Immerhin ist sie fast dreißig!
»... und er hat eine Freundin. Ende der Geschichte.«
Große Enttäuschung allenthalben. Ich hätte beinahe gelacht. Schon komisch, wie berechenbar sie waren. Wie sie bei der bloßen Erwähnung eines Männernamens anfingen, zu sabbern.
»So ein Mistkerl!«, echauffierte sich Hannah.
Ich tätschelte ihr die Hand und dankte ihr für diese tröstliche Ansage.
»Tja«, sagte meine Mutter. »Nächstes Mal hast du mehr Glück.«
»Genau.« Ich nickte und fügte vorsichtshalber hinzu: »Er wartet irgendwo da draußen auf mich.« Damit sollte die Angelegenheit abgehakt sein. Sie ist optimistisch. Mehr kann man wohl nicht verlangen. Nächstes Thema, bitte!
»Und wie läuft’s beruflich?«, erkundigte sich Julias Mann.
Ich zuckte die Achseln. »Och, nicht schlecht. Alles beim Alten.«
»Hält dich die Bank noch immer so auf Trab?«, fragte Mom.
Ich nickte und nippte an meinem Eiswasser. »Mehr denn
je. Ich bin gerade erst aus Denver zurückgekommen, und morgen geht es auf nach Vegas.«
»Wow, Jen, dein Leben ist echt cool. Ich bin echt suuuperneidisch!«, sagte Hannah.
Ich setzte ein bescheidenes Lächeln auf und stopfte mir ein Stück Brot in den Mund, um mir nicht schon wieder auf die Unterlippe zu beißen. Vielleicht schaffte ich es ja zur Abwechslung, dass die heutige Familienzusammenkunft nicht so endete wie die meisten anderen... mit dem Geschmack meines eigenen Blutes im Mund.
Nach einer Weile begannen Hannah und ihre Freundinnen herumzuzappeln. Sie stocherten schon seit etwa zehn Minuten unmotiviert in ihren Spaghetti herum, während Julia meiner Mom einen Vortrag über ihr aktuelles Wohnzimmerrenovierungsprojekt hielt. Höchste Zeit für ein bisschen Girl Talk.
»Los, kommt mit«, flüsterte ich Hannah und ihren Freundinnen zu.
Die drei sprangen aufgeregt von ihren Stühlen auf.
Kaum hatten wir die Toilette betreten, fischte ich eine kleine Schachtel aus meiner Handtasche und reichte sie Hannah. »Sag deiner Mutter aber nicht, dass du das von mir hast.« Ich blinzelte verschwörerisch.
Ungeduldig riss sie das Geschenkpapier auf. »Ja!«, rief sie triumphierend und schwenkte den Designer-Lipgloss von Trish McEvoy, den ich ihr zum Geburtstag gekauft hatte.
»Genau den hab ich mir gewünscht!«
Sie trug gleich eine dünne Schicht der verbotenen Substanz auf und reichte die Tube dann an Olivia weiter, die es ihr nachtat.
»Nick wird ausflippen, wenn er dich damit sieht«, stellte Rachel fest und
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