Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
Jungs auszugehen. Ich konnte nicht verhindern, dass sie sich verliebte. Aber ich konnte dafür sorgen, dass sie nicht unvorbereitet in den Kampf der Geschlechter zog.
»Im Ernst.« Ich schnappte mir ein paar Papiertücher aus dem Spender. »So, und jetzt wischt euch den Lipgloss ab. Damit dürft ihr euch bei Hannahs Mutter nicht sehen lassen.«
Während die drei im Gänsemarsch die Toilette verließen, fragte ich mich, wie ich meine Nichte künftig auf die Welt da draußen vorbereiten sollte. Meine spontane Vorstellung vorhin war ja nicht besonders gut angekommen. Heute waren es rosa Lipgloss und harmlose Schwärmereien für Mitschüler, und morgen? Und übermorgen? Was kam dann? Hannah war so darauf versessen, erwachsen zu werden. Genau wie ich es gewesen war.
Blieb nur zu hoffen, dass ihre Kindheit nicht auch so abrupt zu Ende ging wie die meine.
Als wir uns dem Tisch näherten, winkte mich meine Mutter zu sich. »Jenny, ich muss mit dir reden.« Wie in Trance ging ich um den Tisch herum und setzte mich neben sie. Jetzt geht’s los. Das Familiendrama, Folge vierhundertdreizehn.
Sie legte mir sanft die Hand auf den Oberschenkel. »Weißt du schon das Neueste von deinem Vater?«
Warum konnte ich nicht einfach die Augen zukneifen und mich in Luft auflösen? Eine Diskussion mit meiner Mutter über meinen Vater war nun wirklich das Letzte, wonach mir der Sinn stand. Aber ich wusste, ich konnte die Augen zukneifen, so lange ich wollte. Wenn ich sie aufmachte, würde meine Mutter immer noch neben mir sitzen, mit einem Fragezeichen im Gesicht.
»Ja, hab ich. Er hat mir auf den Anrufbeantworter gesprochen.« Ich zog ein wenig den Kopf ein in Erwartung des Ausbruches, der Tränenflut, der Aggression, der Schuld, über die nie gesprochen werden würde.
Doch es kam nichts dergleichen.
Stattdessen drückte mir Mom einfach die Hand und fragte: »Und, wie geht es dir damit? Alles okay?«
Höchst ungewöhnlich. Ich musterte sie erstaunt. Ich hatte mir angewöhnt, zu den Treffen mit meiner Mutter eine zusätzliche Packung Taschentücher mitzubringen, weil jedes unweigerlich mit einer Diskussion über meinen Dad endete – sie bekam dann einen Weinkrampf, und ich versuchte, sie zu trösten.
Ich blinzelte ungläubig. »Ja, alles bestens. Ich denke einfach nicht daran.«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist nicht unbedingt die gesündeste Art und Weise, damit umzugehen, Jenny.«
»Mom, es geht mir gut. Ehrlich. Mach dir meinetwegen keine Sorgen.«
Sie seufzte und ließ meine Hand los. »Natürlich mache
ich mir deinetwegen Sorgen, Schätzchen. Ganz im Ernst. Allmählich beunruhigt es mich, dass du immer noch allein bist.«
Jetzt war es an mir, die Stirn zu runzeln. »Was? Warum?«
»Na, du wirst schließlich nicht jünger. Hat die Tatsache, dass du noch Single bist, vielleicht damit zu tun, dass...«
»Jetzt fängst du auch noch damit an!«, ächzte ich.
»Was soll das heißen, ich auch noch?«
»Vergiss es«, winkte ich rasch ab. »Hör zu, Mom, darüber will ich jetzt wirklich nicht reden. Ich bin nur deswegen allein, weil ich beruflich sehr eingespannt bin und einfach keine Zeit für eine Beziehung habe. Die Liebe kommt später dran.«
Das hörte Mom nicht zum ersten Mal, denn sie konnte es nicht lassen, mich immer wieder auf mein Privatleben anzusprechen. Dass sie allerdings vom Privatleben meines Vaters auf mein nicht existierendes Privatleben zu sprechen gekommen war, stieß mir doch etwas sauer auf.
Sie wirkte enttäuscht. »Nun, wie du weißt, können sich Frauen im Gegensatz zu den Männern nicht den Luxus leisten, die Liebe auf Dauer hintanzustellen. Die biologische Uhr tickt unablässig. Je länger du wartest, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann die Batterie leer ist.«
Ich hob abwehrend die Hand. »Mom, ich weigere mich, jedes Mal dieselbe Unterhaltung mit dir zu führen. Wenn mir der Richtige über den Weg läuft, dann wird es passieren. Ich werde mich ganz sicher nicht mit irgendeinem Kerl einlassen, nur weil meine biologische Uhr tickt.«
Es gab so vieles, das ich ihr gern erzählt hätte. Sophie und Eric, Andrew Thompsons Stewardessen-Manie, Raymond Jacobs Ehering, Rani und der wahre Grund, weshalb mein Date mit Clayton ein Desaster gewesen war.
Aber das war ausgeschlossen.
Ich konnte Mom nicht mein Herz ausschütten. Sie durfte nichts über das Doppelleben erfahren, das ich seit über zwei Jahren führte. Niemand durfte etwas davon wissen.
Meine Familie ahnte nichts von
Weitere Kostenlose Bücher