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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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Ashlyns Existenz. Sie wusste nicht, wofür Ashlyn stand, wusste nichts von den Zielen, die sie sich auf die Fahne geschrieben hatte. Dabei war es ironischerweise ebendiese Familie, der Ashlyn überhaupt ihre Existenz verdankte.

10
    Die Entstehung der Arten (Teil 2)
    Als ich zwölf Jahre alt war, verwandelte sich mein Vater für mich in einen Fremden.
    Eine Nacht, ein kurzer Moment, ein Blick in die falsche Richtung hatten meine Gefühle ihm gegenüber für immer verändert.
    Damals war mir nicht ganz klar gewesen, was ich gesehen hatte, oder was es genau bedeutete. Es war auch nicht so, als hätte ich in dem Moment, in dem ich meinen Vater mit meiner zweiundzwanzigjährigen Babysitterin beobachtet hatte, bewusst die Entscheidung getroffen, Dad gegenüber anders zu empfinden. Doch als ich tags darauf erwachte (nachdem ich mich lange schlaflos im Bett hin und her gewälzt hatte, ehe ich endlich eingeschlafen war) und das Bild noch immer ganz frisch war, als würde die Szene wieder und wieder vor meinem inneren Auge ablaufen, da veränderte sich etwas in mir.
    Als wir zum Flughafen fuhren, um Mom abzuholen, sagte ich die ganze Fahrt lang kein einziges Wort. Nicht etwa weil ich mir vorgenommen hatte, wütend auf ihn zu sein – zu derart komplexen Gefühlen oder Entscheidungen wäre ich gar nicht fähig gewesen -, sondern weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich fürchtete, auch nur ein einziges Wort aus
meinem Mund könnte mit einer wahren Flut enden... und mit Tränen, vielen, vielen Tränen.
    »Stimmt etwas nicht?«, wollte Dad wissen, als wir schließlich auf die Ankunftshalle des Flughafens zusteuerten.
    Ich schüttelte den Kopf und starrte angestrengt aus dem Fenster auf die vorbeigleitenden Autos und Reisenden aus aller Welt.
    Noch heute habe ich deutlich die Ankunft - und Abflug -Schilder über uns vor Augen. Ich weiß noch haargenau, wie ich auf dem Beifahrersitz saß und meine ganze Aufmerksamkeit auf die Welt jenseits des Fensters richtete. Wie mir vor dem Erscheinen meiner Mutter graute und davor, was danach kommen würde. Vor den Entscheidungen, die ich würde treffen müssen, den Pflichten, von denen ich nicht wusste, ob ich sie würde erfüllen können. Ich wünschte mir verzweifelt einen Ausweg. Wünschte, ich könnte in das glorreiche Abflug -Reich flüchten, nach Hongkong fliegen oder nach Tahiti oder in irgendein anderes Land weit, weit weg, und nie wieder zurückkehren.
    »Du bist so still«, bemerkte Dad.
    Ich zuckte bloß die Achseln.
    Er parkte in der Haltezone vor dem Ankunftsbereich, spähte zum Ausgang auf der Suche nach ihrem vertrauten Gesicht, sah auf die Uhr. »Wir sind ein bisschen zu früh dran.«
    Ich starrte weiter aus dem Fenster, wagte es nicht, seine Existenz zur Kenntnis zu nehmen.
    »Weißt du, Jen«, brach er schließlich das Schweigen, »es gibt Dinge, die man gern sagen möchte, aber es fällt einem schwer, sie auszusprechen.«
    Ich reagierte nicht. Tränen brannten mir hinter den Lidern. Ich blinzelte sie weg.
    »Und es gibt Dinge, die wir gern sagen möchten, vermutlich aber lieber für uns behalten sollten«, fuhr er fort.

    Ich fuhr herum, mein Gesicht erfüllt mit Fragen, die auf ewig unbeantwortet bleiben würden. Wusste er Bescheid? Hatte er mich gesehen? Ich rief mir jedes Detail dieser schrecklichen Nacht in Erinnerung. Gesehen konnte er mich nicht haben, davon war ich überzeugt. Dafür hatte ich gesorgt. Aber hatte er mich womöglich gehört ?
    »Was meinst du damit?« Ich bemühte mich um einen desinteressierten, reservierten Tonfall, um mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
    Mein Dad wählte seine nächsten Worte sehr sorgfältig, als würde er im Geiste in einem Synonymlexikon blättern. »Ich meine damit, dass es besser ist, wenn manches ungesagt bleibt.«
    »Warum?«, hakte ich nach. Es klang beinahe aufsässig.
    Ich zuckte instinktiv zurück, als er den Arm ausstreckte, um mir über die Wange zu streichen. Er versuchte, es mit einem unbekümmerten Schmunzeln abzutun und ließ die Hand auf den Schaltknüppel sinken. »Aus verschiedenen Gründen«, sagte er mit einem beiläufigen Schulterzucken, als wäre ihm egal, ob ich zuhörte oder nicht. »Zum Beispiel, wenn man weiß, dass die Wahrheit jemandem wehtun würde.«
    Ich zupfte nachdenklich an meiner Unterlippe, versuchte, seine Worte zu verarbeiten und zugleich herauszufinden, ob sich dahinter vielleicht eine heimliche Absicht verbarg. Mein zwölf Jahre altes Gehirn war mit dieser Aufgabe

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