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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Bromscheidt sie auch hören konnte.
    »Vielleicht«, hallte es orakelnd aus dem Lautsprecher.
    Jetzt lächelte sogar Frodeleit.
     
    Dann gingen die Löffkes langsam in den Stollen, in dem sie sich vorher alle zusammen aufgehalten hatten. Sie sagten kein weiteres Wort, folgten widerstandslos Bromscheidts Befehl, den sich Frodeleit zu eigen gemacht und zu einem Gebot der Vernunft transformiert hatte. Auch die anderen schwiegen. Wie konnte ein Typ wie Löffke so gehorsam sein?
    »Wir sind Freunde«, flüsterte Frodeleit entschuldigend in die Stille.
    Löffke schob Dörthe in den Stollen, schaltete seine Taschenlampe an und zog die Tür hinter sich zu.
    »Na also«, kommentierte der Lautsprecher brummend. »Die anderen verschwinden jetzt in dem Stollen gegenüber und schließen ebenfalls die Tür. Ich will keine Gespräche von der einen zur anderen Seite.«
    Sie folgten seiner Anweisung und öffneten die Tür zu dem bis jetzt verschlossenen gegenüberliegenden Seitenstollen, dessen Querschnitt dem des anderen Stollens entsprach. Im Gegensatz zur anderen Stollentür war diese jedoch nicht mit einem Schlüssel abzuschließen. Die schwere Tür enthielt lediglich eine rostige Klinke, die quietschend nachgab. Bromscheidt hatte auch in diesem Stollen zwei Lampen aufgestellt, einige Meter weiter stand sogar ein kleines Toilettenhäuschen, wie man es von Baustellen kennt, und seitlich links an der Wand ein schmaler langer Holztisch und parallel dazu auf jeder Seite jeweils eine Holzbank – Klappmöbel wie aus einem Biergarten. Darauf stand ein großes Tablett mit Spezialitäten der schwiegerelterlichen Fleischerei. Stephan kannte das unter dem Namen ›Schlachtplatte Diana Family‹ angepriesene Arrangement verschiedener Wurst- und Fleischsorten, entsprach es doch der Zusammenstellung, die Dörthe bei besonderen Gelegenheiten in der Kanzlei auffuhr. ›Diana‹ ist der Renner, pflegte Löffke bei solchen Anlässen immer wieder herauszuposaunen, wobei er sich gewöhnlich stets vorab die Mettwürstchen sicherte. Nun stand also ›Diana‹ auf dem Tisch des hell erleuchteten Seitenschiffs. Bromscheidt hatte auch einen Korb mit Brötchen bereitgestellt, dazu Plastikbesteck und Pappteller und zwei Kästen mit Wasser und Saft. Säkulares Abendmahl einer Bunkerkathedrale.
    Alle spürten die Erschöpfung der letzten Stunden in den Gliedern und sie setzten sich müde auf die Bänke, Stephan neben Marie an der Stollenwand und ihnen gegenüber Verena und Achim Frodeleit. Der Richter löschte seine Taschenlampe und stellte sie neben dem Tisch auf den Boden. Sie griffen nach den Brötchen und Wurstwaren, tranken gierig Saft und Wasser und schwiegen, während sie immer wieder ihre Teller füllten. Während dieser Zeit empfanden sie nichts Bedrohliches. Bromscheidt hatte an alles gedacht. Auch ein Päckchen Servietten lag bereit. Das schmackhafte Essen und der Aufenthalt in diesem Seitenstollen wirkten wie eine Pause in einem Theaterstück, dessen Sinn sich für sie ebenso wenig erschloss wie die Rollen, die sie darin übernehmen sollten.
    ›Dianas Family‹ war rasch der digestiven Transsubstantiation anheimgegeben, zumal Bromscheidt das kleinste Format dieser Schlachtplatte ausgewählt hatte, weil er bei der Bestellung nicht Stephan und Marie auf der Rechnung hatte. Die Anspannung der letzten Stunden in der staubigen Luft der Bunkerkathedrale hatte sich in einem zu hastigen Essen entladen.
    Frodeleit schnappte sich die letzte Tomate, gurgelte mit Sprudel und spuckte anschließend das Wasser auf den Stollenboden.
    Langsam kehrte die Wirklichkeit in ihre Köpfe zurück. Beschämt stellte Marie fest, dass sie nicht einmal daran gedacht hatten, für die Löffkes etwas aufzubewahren.
    Frodeleit sah das anders. »Wir hätten den beiden damit nicht geholfen. Herr Bromscheidt hätte es nicht gewollt.«
    Zum wiederholten Mal sprach er von Herrn Bromscheidt. Es lag auf der Hand, dass Frodeleit von ihrem Peiniger höflich sprechen wollte, wenn er davon ausgehen musste, dass Bromscheidt sie belauschte.
    Stephan sah sich um. Außer den Kabeln, die zu den beiden Lampen führten, gab es nur zwei weitere, die kleine altmodische Heizlüfter speisten, die ihnen gegenüber nahe der Tür zur Halle standen. Es waren kleine Geräte, die schon rund 30 Jahre alt sein mochten und von ihrer Größe her unter Schreibtischen Platz fanden. Die beiden Stehlampen leuchteten das Gewölbe gut aus. Der Beton war glatt und eben. Es gab keine Schattennischen, in denen sich

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