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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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vielleicht. Aber wer weiß, was er dabei empfindet? Was war an der Sache so besonders, dass Sie sich plötzlich wieder daran erinnern?«
    »Frodeleit hat ihn zu einer Geldstrafe verurteilt, obwohl er stets beteuerte, er habe den Fahrschein nur vergessen. Seine Ehe war kurz zuvor zerbrochen. Er sagte, er habe alles andere im Leben in dieser Zeit gar nicht mehr wahrgenommen.«
    »Wie begründete Frodeleit das Urteil?«
    »Er sagte, wer zweimal schwarzfahre, mache das vorsätzlich. Allein die Wiederholung indiziere den Vorsatz.«
    »Und was haben Sie gesagt?«, fragte Stephan.
    »Ich habe auf Freispruch plädiert, was sonst?«
    »Aber irgendetwas müssen Sie ihm doch angetan haben, wenn dieser Mensch sich hinter Bromscheidt verbirgt. Er bezichtigt Sie des Parteiverrats. Das macht er nicht ohne Grund.«
    Stephan fasste Löffke an die Schulter. »Raus mit der Sprache! Es geht hier auch um Ihren Kopf.«
    »Ich hatte dem Mandanten im Vorfeld des Prozesses gesagt, dass ich den Richter kenne und es schon nicht so schlimm kommen werde.«
    »Wie ich vermute, werden Sie damit geprahlt haben, Frodeleit zu kennen«, vermutete Marie, die sich zu ihnen gestellt hatte.
    »Vielleicht habe ich es zu sehr betont«, gab Löffke schulterzuckend nach.
    »Und?«, fragte Stephan. »Haben Sie vorher nicht mit Frodeleit gesprochen?«
    »Schon.«
    »Aber die Freundschaft beeinflusste nicht Frodeleits Willen, zu einem Schuldspruch zu kommen?«
    »Offensichtlich nicht«, sagte Löffke. »Er blieb stets unabhängig.«
    »Das glaube ich nicht«, warf Marie ein. »Wenn es so wäre, hätten Sie sich doch gar nicht im Vorfeld darüber unterhalten.«
    Stephan bat, noch leiser zu sprechen.
    »Aber wir waren doch beide erst ein paar Monate im Beruf«, flüsterte Löffke. »Vielleicht war es sogar das erste Mal, dass Frodeleit als Richter und ich als Anwalt aufeinandertrafen. Frau Schwarz, Sie bewerten das über. Die Verständigung im Strafprozess ist doch ganz normal. Es laufen häufig Kontakte zwischen Gericht und Verteidigung, auch außerhalb des Prozesses.«
    »Ich glaube, da verstehen Sie etwas falsch, Herr Löffke«, resümierte Stephan. »Kann es nicht sein, dass Frodeleit Ihren Mandanten gerade deswegen verurteilte, weil Sie versucht haben, auf Frodeleit einzuwirken?«
    »Aber wir sind doch Freunde, Herr Knobel. Warum sollte er das tun?«
    »Sie pflegen eine merkwürdige Freundschaft. Das merke ich immer mehr.«
    »Ich sagte ja bereits, vielleicht irre ich mich«, sagte Löffke. »Ich kann in Bromscheidt auch nicht den damaligen Mandanten erkennen. Nach fast 20 Jahren erkennt man jemanden nicht unbedingt wieder. Mir fällt auch nicht der Name des früheren Mandanten ein. Es war doch nur eine kleine Geschichte damals. So etwas passiert ständig im Anwaltsalltag.«
    »Mir nicht«, widersprach Stephan. »Warum gingen Sie nicht in Berufung?«
    »Das wollte der Mandant nicht.«
    »Ich denke, dass er über die Verurteilung entrüstet war. Warum ging er dann also nicht in Berufung?«, setzte Stephan beharrlich nach.
    »Er wollte nicht«, wiederholte Löffke. »Vielleicht dachte er, dass es ohnehin sinnlos gewesen wäre.«
    »Haben Sie mir wirklich alles gesagt?«, insistierte Stephan. »Es ist doch erstaunlich, dass Sie nach so vielen Jahren plötzlich an diesen Bagatellfall denken. Das Schwarzfahren ist doch immer wieder Gegenstand von Gerichtsverhandlungen. Also: Was macht den Fall so besonders?«
    »Ich habe dem Mandanten letztlich geglaubt. Er war so betroffen und entsetzt über das Urteil. – Aber es ist doch immer wieder das Problem, jemandem etwas nachzuweisen. Kann man einem Richter wirklich vorwerfen, dass er nicht an das Vergessen glaubt, wenn jemand zweimal kurz hintereinander beim Schwarzfahren erwischt wird?«
    »Das scheint der Blick in den Kopf zu sein, von dem Bromscheidt sprach«, sagte Marie.
    »Was machen wir, wenn er es ist, Kollege Knobel?« Löffkes Gesicht glänzte verschwitzt.
    »Sie werden ziemlich nervös«, stellte Stephan fest. Er ließ seinen Mandanten stehen und beriet sich abseits leise mit Marie.
    Dörthe sah fragend zu ihrem Mann.
    »Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Dörthe«, versicherte Löffke. »In der Praxis sieht immer alles anders aus als in der Theorie. Du siehst doch, wie wahnsinnig die Menschen sind. Ein Bromscheidt ist psychisch eine tickende Zeitbombe. Das wird Knobel nicht anders sehen.«
    Er hatte laut und deutlich gesprochen. Bromscheidt musste ihn gehört haben.
    »Ich glaube dir nicht mehr alles«,

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