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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Lichtstrahl zuckte durch den Bunker, erfasste kurz Verena, Dörthe und Marie, dann Stephan und schließlich Hubert Löffke. Sie standen still und regten sich erst im Schutz des Lichts, schreckten auf und blieben dennoch wie gelähmt. Frodeleit suchte mit der Lampe auf der gegenüberliegenden Seite den Boden ab. Unmittelbar neben dem Eingang zu dem anderen Stollen lag die zweite Lampe, die Stephan dort hingelegt hatte. Frodeleit markierte mit dem Lichtstrahl ihre Position.
    »Nimm sie und mach sie an!«, forderte er Verena auf.
    Der Hauptstollen setzte sich zu beiden Seiten fort. Die rot-violetten Pfeile der Lichtschranken blieben erloschen.
    »Die Frauen gehen den Weg zurück, über den wir gestern gekommen sind«, bestimmte Frodeleit. »Herr Knobel, Sie gehen mit! Bleiben Sie zusammen! Verena, achte auf die Taschenlampe! Lass sie nicht fallen, hörst du!«
    Unter anderen Umständen hätte sie seinen Anweisungen mit einem gequält gedehnten Ja geantwortet. Jetzt war sie erleichtert, dass der Albtraum zu Ende zu gehen schien.
    »Und Sie?«, fragte Stephan.
    »Wir müssen ihn stellen. Jetzt oder nie. Er haut sonst durch den anderen Ausgang ab. Kein Mensch weiß, wo wir ihn finden können – und ob er wirklich dieser Büllesbach ist. – Hubert?«
    Frodeleit winkte ungeduldig mit der Taschenlampe. »Hubert, komm!«
    »Er könnte bewaffnet sein«, wandte Löffke ein.
    »Er könnte, aber er wird es nicht sein, Hubert. Sonst hätte er sich wahrscheinlich hier einmal gezeigt. Seine Waffe ist seine Elektrik. Nun komm!«
    »Es ist zu gefährlich«, rief Stephan.
    »Wollen Sie warten, bis er seine Maschinerie wieder in Gang gebracht hat, Herr Knobel? Laufen Sie endlich mit den Frauen den Weg zurück. Rennen Sie!«
    Verena zog Dörthe am Arm. »Er hat recht. Raus hier!« Sie lösten sich von Marie und Stephan.
    »Zusammenbleiben!«, schrie Frodeleit.
    »Ich will nicht wieder in die Hände dieses Wahnsinnigen fallen, Herr Knobel!«, fauchte Verena.
    »Keiner weiß, was er sich noch einfallen lässt«, bekräftigte Frodeleit. »Bitte, gehen Sie jetzt! Wir können nicht alle hinter Ihnen herrennen. Denken Sie an Dörthe! Sie kann nicht so schnell laufen. Los jetzt!«
    Endlich gingen sie. Verena führte die Gruppe an. Sie drückte die auch an dieser Stollenseite befindlichen Gitter mit den scharfkantigen Kupferkabeln zurück. Die Scharniere quietschten. Dörthe atmete heftig. Sie war zu aufgeregt, um schneller laufen zu können. Marie und Stephan nahmen sie in ihre Mitte. Sie vermieden jede Hast, aber sie bewegten sich zügig. Marie hielt Dörthes Hand.
    »Ich bin zu langsam, ich weiß«, japste Dörthe.
    »Nein, es ist alles gut«, beruhigte Marie.
    Immer wieder kreiste der Lichtkegel von Verenas Taschenlampe durch das Gewölbe. Doch das Licht entriss der Dunkelheit keine Geheimnisse. Sie gingen durch die kahle Tunnelröhre zurück, durch die sie gestern hierher geführt worden waren. Irgendwann erreichten sie die Ausbuchtung, von der aus die Stahltreppe nach oben führte. Verena ging voran, nahm langsam Stufe für Stufe und leuchtete zwischendurch zurück, damit sich die anderen orientieren konnten. Dörthe war dicht hinter ihr, sie zog sich zitternd an dem eisernen Geländer hoch, dann folgten Marie und Stephan. Auf dem oberen Podest lagen ihre Handys auf dem Holztisch. Stephan eilte vorbei und fasste an die Klinke der Eisentür, die auf die Straße führte. Die Tür öffnete sich.
    Draußen herrschte Schneegestöber. Die weißen Flocken tanzten durch den grauen Tag. Auf einigen Autos blieben die Schneeflocken liegen, doch auf der Straße verwandelte sich der Schnee in schmutziggrauen Matsch.
    Sie atmeten tief durch und schwiegen. Das triste Grau wirkte bunt und erlösend. Auf der Straße waren kaum Menschen. So, wie sie keiner gesehen hatte, als sie nach unten gelockt wurden, bemerkte niemand, wie sie zurück in die Freiheit traten. Das Vergangene war plötzlich unwirklich, die Bunkerwelt unter der Erde fern und fremd. Stephan wählte den Notruf der Polizei. Es dauerte einige Zeit, bis er sich den Beamten verständlich machen konnte.

5.
    Stephan und Marie wurden am nächsten Montag als Zeugen vorgeladen.
    »Ein mehr als ungewöhnlicher Fall«, eröffnete der Beamte die Vernehmung. »Auch wenn Sie ebenso wie Frau Löffke und Frau Frodeleit nicht mitbekommen haben, wie die Geschichte im Stollen zu Ende ging, brauchen wir Ihre Aussagen, um die Sache abschließen zu können. Wir wissen, dass die elektrische Anlage durch einen

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