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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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bedauerlichen Unglücksfall gehandelt hat. Es steht bei dieser Sache auch das Ansehen der Richterschaft auf dem Spiel. Ich möchte gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, es sei nicht gründlich ermittelt worden. Also werde ich darauf bestehen, dass jede nur erdenkliche wissenschaftliche Methode genutzt wird, um den Fall aufzuklären. – Ihr Kartenhaus wird zusammenfallen, Herr Knobel.«
    »Jetzt reden Sie doch mit mir, Herr Frodeleit.«
    »Ach, Herr Knobel! Ich weiß, dass Sie mich nicht mögen. Aber ich erwarte, dass Sie Ihre Verantwortung sehen, wenn Sie gegen mich agitieren.«
    »Warum sagen Sie mir das alles?«, fragte Stephan.
    »Sie sollten wissen, dass ich den Vorsitz zurückgestellt habe, weil ich das Amt nicht beschädigen will. Bei den Karrieren in der Justiz geht es stets auch um deren Ruf in der Öffentlichkeit. Gerüchte schaden immer, auch wenn sie in der Sache haltlos sind. Sie haben mir und meiner Frau erheblichen Schaden zugefügt. Ich wäre von mir aus nicht auf die Idee gekommen, mit Ihnen nochmals in Kontakt zu treten.«
    Er redete sicher und strukturiert, pointiert und flüssig. Dafür war er bekannt. Frodeleit konnte aus dem Stegreif urteilen. Die langjährige berufliche Erfahrung hatte ihn darin geschult, zielsicher zu argumentieren. Dafür wurde er geschätzt. Hatte er im Ergebnis nicht recht?
    »Warum haben Sie Marie gestern Abend in der U-Bahn aufgelauert?«
    »Bitte?«, fragte Frodeleit tonlos nach.
    »Gestern Abend gegen Mitternacht in der Haltestelle Brunnenstraße. Sie kennen die Straße. Erinnern Sie sich? Wir sind von dort aus mit Büllesbachs Auto gemeinsam weitergefahren, bevor wir in den Bunker gelockt wurden.«
    »Herr Knobel, Sie sollten sich überlegen, was Sie sagen.« Frodeleit hatte Schärfe in die Stimme gelegt. Aber warum erboste er sich nicht lautstark? Musste er sich nicht hörbar aufregen?
    »Sie behaupten also, Sie seien gar nicht da gewesen.«
    »Was auch immer an dieser Haltestelle passiert sein soll: Ich war es bestimmt nicht. Und Sie sind gut beraten, diesen Vorwurf nicht weiter aufrechtzuerhalten. Denn ich werde mich dagegen wehren, wenn Sie es tun. Wären Sie mein Anwalt, wüssten Sie, was Sie rechtlich jetzt zu tun hätten, oder?«
    »Räumen Sie einfach nur den Verdacht aus, Herr Frodeleit«, sagte Stephan.
    Frodeleit war es mit wenigen Worten gelungen, ihn in die Verteidigung zu zwingen. Maries feste Überzeugung, Frodeleits Gesicht erkannt zu haben, reduzierte sich auf die Wahrnehmung einer Gestalt mit dunklem Wintermantel und Wollmütze, die schweigend am oberen Ende der Rolltreppe gewartet hatte. Frodeleit würde lachen, wenn Stephan ihm die Szene beschrieb. Er unterließ es.
    »Ein Alibi und das ist erledigt«, forderte Stephan ihn auf.
    »Sie kriegen von mir kein Alibi, weil ich kein Alibi brauche und ich Ihnen keines schulde«, erwiderte Frodeleit ruhig. »Ich rate Ihnen, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Wenn Ihre Freundin bedroht worden ist, gehört der Vorfall angezeigt. Aber mich lassen Sie bitte aus dieser Geschichte raus! Denken Sie an meine Worte!«, sagte er und legte auf.
    Was hatte Stephan von diesem Gespräch auch erwarten können? Er wusste, wie beherrscht Frodeleit war. Wenn er tatsächlich die Gestalt in der U-Bahn war, hatte er Stephans Anruf erwarten und sich darauf vorbereiten können. Warum war Frodeleit nicht überrascht, als sich Stephan am Telefon meldete? Aber wann war Frodeleit schon wirklich überrascht? Er war abgeklärt. Nichts konnte ihn so schnell aus der Fassung bringen. Andererseits: Warum sollte Frodeleit Marie überhaupt bedrohen? Wollte er Revanche dafür, dass Stephan und Marie seine Karriere zunächst gestoppt hatten? Half es ihm, wenn er Marie in Angst versetzte? Irgendwie war nicht vorstellbar, dass die dunkle Gestalt in dem verlassenen U-Bahnhof mit dem rationalen redefreudigen Richter Frodeleit vom Oberlandesgericht identisch sein sollte.
    Heute Morgen hatte Stephan Marie noch einmal gefragt, ob sie sich sicher sei.
    »Ich kenne doch sein Gesicht, diese Fratze!«, hatte sie erwidert.
    Der Gedanke an die Anzeige war nicht falsch.
    Nach kurzer Überlegung hatte er bei den städtischen Verkehrsbetrieben angerufen und erfahren, dass alle U-Bahnhöfe der Stadt von Kameras überwacht würden.
    Stephan fragte, ob die Kamera am gestrigen Abend kurz vor Betriebsschluss die dunkle Gestalt im Bahnhof Brunnenstraße erfasst habe. Die Mitarbeiterin der Verkehrsbetriebe lachte. Das Überwachungspersonal könne

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