Tribunal
vor allem ekelte ihn Löffke. Aber der schien sich gerade darin zu sonnen. Er zwinkerte Stephan zu, als dieser das Büro verließ.
»Sie haben sicher noch zu tun, Kollege Knobel«, frotzelte er. »Sie wissen, wie mies es um unsere Ertragslage steht.«
Daraufhin schlug Stephan die Tür zu Löffkes Büro hinter sich zu. In seinem Büro fand er auf seinem Handy eine SMS von Marie vor: ›Habe vielleicht eine Stelle, ich liebe dich!‹
Er rief sie an. »Erst du«, sagte er und sie berichtete, dass sie einen Brief von der Bezirksregierung Arnsberg erhalten habe. Sie komme in die engere Wahl für die Besetzung einer Lehramtsstelle an einem Gymnasium in Unna. Sie müsse noch einige Unterlagen beibringen. Die Chancen stünden sehr gut. Marie lachte befreit auf. Endlich tat sich etwas. Auf dem Stellenmarkt boten sich viele mit dem Fach Deutsch an.
»Jetzt du«, gab sie zurück.
Stephan erzählte von Löffkes proletenhaftem Auftreten. »Aber es gab keine Schlachtplatte. Das macht mich stutzig.«
»Du meinst, zwischen ihm und Dörthe ist irgendetwas?«
»Ich weiß es nicht, aber Hubert Löffke würde im Leben nicht ohne Not auf seine Schlachtplatten verzichten. Bisher gab es immer Frikadellen und Fleischwurst aus dem Laden seiner Schwiegereltern.«
»Vielleicht haben sie Betriebsferien«, sagte Marie. »Wir werden es herausfinden.«
Aus Löffkes Büro drang nun laute Musik. Nur einen Augenblick später flog die Tür zu Stephans Büro auf. Der bullige Löffke stand grinsend im Türrahmen, in der rechten Hand die Bierflasche, links eine Zigarette. Die Musik röhrte laut über den Flur. Heavy Metal.
»Raus!«, bellte Stephan.
»Raus aus meinem Haus!«, feixte Löffke. »Nun seien Sie nicht so streng! Lassen Sie uns feiern, dass sich alles wieder eingerenkt hat. Das mit den Mandanten haben wir doch gut gelöst, oder? Sie sehen alles so verkniffen, Knobel. Bescheißen muss nichts heißen. Es war doch clever: Gebühren abzocken und nachher zurückzahlen. Die gute Tat hat einen Werbeeffekt. Wir sind die Guten, Kollege Knobel! Kommen Sie, wir machen heute die Sause. Der Senior ist nicht da. Wir setzen uns mit den Jungmäusen aus den Sekretariaten zusammen und lassen die Flasche kreisen. Fleischbeschau aus legitimer Arbeitgebersicht. Was sagen Sie dazu, Knobel?«
»Ich habe heute Ihre Fleischwurst vermisst«, warf Stephan ein.
Löffkes Miene wurde für einen Augenblick ernst. »Das ist meine Sache.«
Er verharrte einen Moment, dann lud sich sein schwitzender Kopf wieder fröhlich auf.
»Kommen Sie, heute feiern wir mal! Oder sind Sie feige? Ich mache das notfalls auch ohne Sie. Mir ist heute danach, die Puppen tanzen zu lassen.« Er lachte polternd.
»Und wissen Sie was: Ich will gegen diesen Trieb einfach nichts machen.« Er setzte wieder die Bierflasche an den Hals. »Auf Sie und Ihr entzückendes Mariechen, Knobel!«
Er schob seinen alkoholdampfenden Körper weiter in Stephans Büro und schloss die Tür hinter sich. »Wissen Sie … Ich glaube, Knobel, Ihr Mariechen ist so richtig gut, oder? – Sie wissen, was ich meine, oder nicht?« Er lachte wiehernd. »Ist nicht bös gemeint, Knobel. Ich mach mir nur so meine Gedanken. Ist ja nicht verwerflich. Es bleibt alles unter uns, Knobel. Sie sind doch mein Anwalt, erinnern Sie sich nicht? Ich vertraue Ihnen und Sie mir. Wechselseitige Schweigepflicht, Knobel! Kommen Sie, raus mit der Sprache!« Er kicherte angetrunken.
»Raus!«, wiederholte Stephan.
Löffke hob bedauernd die Schultern. Er öffnete wieder die Tür. Die Musik hämmerte über den Flur.
»Ich halte es hier nicht aus«, zischte Stephan. Er stand auf und nahm seinen Mantel.
»Sie gehen?«, fragte Löffke belustigt. »Sie sind ein Spielverderber! Ich glaube, ich wäre heute in der Laune, Ihnen das Du anzubieten.«
»Im Leben nicht«, rief Stephan und eilte aus dem Büro, während er auf dem Handy Maries Nummer wählte.
Sie machten einen langen Waldspaziergang. Der weiche Regen massierte ihre Gesichter und bildete glänzende Perlen in ihren Haaren. Es war einer der Tage, an denen nichts mehr von äußerer Bedeutung geschehen würde. Sie atmeten den Duft der Bäume. Die Regentropfen funkelten auf den noch kahlen Ästen im schon frühlingshaft gleißenden Sonnenlicht. Die Natur erwachte aus den bleiernen, trägen Wintertagen. Das Leben erneuerte sich und ließ sich in die Zukunft locken. Es floss fröhlich sprudelnd und leuchtend in ein Gefäß glücklicher Empfindungen und kristallklarer Ideen. Der
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