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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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hast ihn doch erst am nächsten Morgen gesucht«, entgegnete Stephan.
    »Ja, Stephan. Weil unser schöner Nachmittag uns mehr miteinander beschäftigen ließ als ein Brief der Bezirksregierung, dessen Inhalt du ja schon kanntest. Der Brief war in diesem Moment eben nicht so eilig.«
    »Also der Mann aus der U-Bahn?«, schloss Stephan.
    »Der Mann aus der U-Bahn … Stephan, merkst du nicht, wie du redest? Der Mann aus der U-Bahn war Frodeleit – und ich wette, das hier war auch Frodeleit.«
    »Ja.«
    »Ja?« Marie riss wütend die Arme in die Luft. »Wer sonst, verdammt noch mal?«
    Stephan blickte stur an ihr vorbei, als er antwortete. »Erstens: Was in aller Welt soll Frodeleit bewegen, dir diesen Brief zuzusenden, um ihn dann wieder zu klauen? Sag mir den Sinn! Und zweitens: Wie soll er hier reingekommen sein? Das Schloss ist völlig intakt. Wer hat denn einen Schlüssel zu dieser Wohnung? Nun? Du, ich und deine Eltern im Münsterland. Du hast deinen Schlüssel, ich habe meinen und deine Eltern werden nach wie vor den dritten haben. Aber du solltest dich vergewissern. Ruf sie an!«
    »Habe ich. Sie haben den Schlüssel«, gab sie zurück.
    »Vielleicht noch der Hausmeister?«, fragte er gereizt.
    Marie schüttelte den Kopf. »Seitdem vor einigen Monaten im ganzen Haus die Schlösser ausgewechselt worden sind, hat er keinen Schlüssel mehr.«
    »So! Und nun?«
    Stephan stand fordernd vor ihr. »Lass uns eine Anzeige erstatten! Der dunkle Mann in der U-Bahn und der geheimnisvolle Briefklauer werden gesucht. Vermutlich identisch. Vermutlich Frodeleit, Richter am Oberlandesgericht. Nachvollziehbares Motiv: Fehlanzeige. – Marie, denk doch mal nach!«
    Er sah an ihr vorbei, wie man es tat, wenn die gestellte Frage keine plausible Antwort erwarten ließ, sondern die Gedanken des anderen bloßstellen würde. In polizeilichen Verhören blickt der eine Beamte dem anderen hierbei lauernd ins Gesicht.
    »Sag doch, dass ich verrückt bin«, sagte sie leise. »Du beginnst doch schon, das zu glauben. Ist dir aufgefallen, dass du mich gerade nicht einmal angesehen hast, als du deine logischen Fragen stelltest? Es kam dir vor, als müsstest du auf einen Esel einreden. Ich weiß selbst, dass das alles auf einen Außenstehenden unlogisch wirkt. Aber vielleicht liegt ja gerade darin der Sinn.«
    »Aber warum, Marie? Warum soll ein Frodeleit suggerieren, dass du eine Stelle hast? Frodeleit mag uns nicht. Vielleicht hasst er uns sogar. Aber er hat von alledem nichts. Er wird, wie es aussieht, sich erneut um den Vorsitz bewerben, wenn die Polizei noch einmal den Tod von Büllesbach untersucht hat. Verstehst du: Er selbst bittet die Behörde um nochmalige Ermittlungen. Ich wette, dass nicht mehr herauskommt als bei der ersten Untersuchung. Und wenn das so ist, dann sind wir gut beraten, die Klappe zu halten. Ich denke ohnehin immer mehr, dass wir uns zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Frodeleit mag ein grauenhafter Richter sein, aber die Sache im Bunker wird ihn doch letztlich nicht dauerhaft ausbremsen. Er wird Vorsitzender, glaube es mir. Vielleicht nicht dieses oder nächstes Jahr. Aber irgendwann ist er dran. Die Akte Büllesbach wird geschlossen. Das ist in doppelter Hinsicht gut. Dem armen Büllesbach wird es ohnehin nicht helfen und Britta und Peter bleiben unbehelligt. Dass sie geholfen haben, die Gerätschaften in den Bunker zu bringen, ist sonnenklar! Und ich vermute mal, dass zumindest Peter auch bei etlichen Installationen Hand angelegt hat. Also: Werden wir über den Fall Büllesbach den Vorsitz des Richters Frodeleit verhindern? – Antwort: Nein! – Im Übrigen: Frodeleit kann, wenn er denn der geheimnisvolle Unbekannte war, es nicht allein gewesen sein. Wie sollte er beispielsweise wissen, dass du in der Bahn sitzt, in die er in der Stadtmitte zusteigen muss? Woher weiß er, dass du in der Zugmitte sitzt, sodass er vorn einsteigen muss? Das geht nur, wenn er von einer anderen Person vorher darüber informiert worden ist, wann du wo in welche Bahn einsteigst. Er musste diese Informationen haben.«
    »Verena oder Löffke oder Dörthe«, erwiderte Marie.
    »Dörthe und Hubert Löffke scheiden aus«, entgegnete Stephan. »Sie haben keinen Kontakt mehr mit den Frodeleits. Das ist eine Information, die uns nicht die Löffkes aufgezwungen haben, sondern die du selbst ermittelt hast, Marie. Die dicke Dörthe ist durchaus sympathisch und glaubwürdig. Oder misstraust du ihr?«
    Marie schüttelte den Kopf.
    »Also Verena«,

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