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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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ihren Armen Auf dem Fußboden standen zwei leere Weinflaschen. Er rüttelte sie und knetete ihre Schulter, strich durch ihre Haare und tätschelte ihre Wangen, bis sie träge die Augen öffnete.
    »Marie!«, rief er immer wieder.
    Sie blickte betrunken auf den Tisch. »Er ist da«, stammelte sie.
    »Er ist wieder weg, beruhige dich.«
    »Nein!«
    »Doch, er ist nicht da. Glaube mir!«
    »Glauben.« Sie lachte lallend.
    »Hatte er wieder den dunklen Mantel an?«
    Marie kicherte. »Nein, diesmal kam er als rosaroter Reiter auf einem Zebra. Und er schaute aus großen, gelb blinkenden Augen. ›WARTE!‹ stand darin. Und seine Augenlider schlossen und öffneten sich monoton, wie die Rolltreppe baggert.« Sie kicherte.
    »Rede nicht so einen Unsinn, ich glaube dir ja.«
    »Weist du mich jetzt ein?«, fragte sie träge. »Ich möchte eine Einzelzelle, in der ich von Wand zu Wand springe.
    Ich möchte wie ein Flummi durch meine Welt hüpfen. Ich möchte alle küss …«
    Sie fiel wieder auf den Tisch.
    »Leg dich hin, Marie! Du bist betrunken.«
    Sie schaukelte ihren Oberkörper hin und her. »Ich hasse es, besoffen zu sein.«
    »Lass das lieber, du wirst dich übergeben.«
    »Du bist ja so fürsorglich.«
    Sie spitzte die Lippen und machte einen Kuss.
    »Leg dich hin!«, forderte er wieder. »Du musst dich ausruhen!«
    Sie grinste albern. »Ich weiß, ich bin verrückt.«

16.
    Stephan erreichte Frodeleit am nächsten Morgen schon gegen halb neun telefonisch im Gericht.
    »Ich erinnere an unser letztes Gespräch«, sagte Frodeleit. »Ich habe kein Interesse an irgendwelchen Kontakten zu Ihnen.«
    »Aber ich bestehe darauf, mit Ihnen zu sprechen«, hielt Stephan dagegen. »Ich will eine Klärung. Es geht so nicht weiter.«
    »Was geht nicht weiter, Herr Knobel?«, hakte Frodeleit gereizt nach.
    »Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das Gespenst spielen, Herr Frodeleit?«
    »Geht es wieder um die alberne Geschichte in der U-Bahn?« Frodeleit seufzte. »Zeigen Sie den Vorfall endlich an, wenn Sie meinen, Ihre Freundin sei bedroht worden. Wie oft muss ich das wiederholen?«
    »Ein Gespräch!«, beharrte Stephan. »Und zwar bald!«
    »Aus welchem Grund? Es ist alles gesagt.« Frodeleit drängte. »Herr Knobel, ich habe gleich Sitzung.«
    »Ich möchte mir nur über die Dinge klar werden.«
    »Über die Dinge klar werden …«, schnaufte Frodeleit. »Ich hoffe, Sie sind in Ihren Schriftsätzen präziser.«
    »Wann und wo?«
    »Ich will Sie hier nicht im Gericht sehen, Knobel! Und ich will Sie auch nicht bei mir zu Hause sehen.«
    »Okay, nennen Sie mir einen neutralen Ort, Herr Frodeleit! Irgendein Café oder sonst was. Heute oder morgen.«
    »Ich habe dienstliche Verpflichtungen. Es geht nicht.«
    »Geben Sie mir einen Treffpunkt vor!«, beharrte Stephan.
    »Um es klar zu sagen: Ich möchte mich grundsätzlich nicht mit Ihnen allein treffen, Herr Knobel. Angesichts der Anschuldigungen, die Sie gegen mich erheben, werde ich es tunlichst unterlassen, mich Ihnen auszuliefern und Ihnen Gelegenheit zu geben, später fälschlich zu behaupten, ich hätte irgendetwas gesagt, was Ihre albernen Thesen stützt. Ich werde mich vor Ihnen schützen, Herr Knobel! Sie sind gefährlich.«
    Stephan schluckte. Wie albern erschien ihm jetzt, dass er eben noch glaubte, einen sicheren Beweis auf Frodeleits Anwesenheit in Maries Wohnung gefunden zu haben. Wieder hämmerte die zentrale Frage in seinem Kopf: Warum sollte Frodeleit das Gespenst sein, vor dem sich Marie fürchtete?
    Sie schlief noch nebenan. Es war ein tiefer, trunkener Schlaf. Die zwei Flaschen Wein waren deutlich mehr gewesen, als sie je auf einmal zu sich genommen hatte. Ihr Körper verkraftete diese Mengen nicht. Trank sie aus Angst oder aus Frust? Betrinkt man sich, wenn der Mensch, der einen liebt, daran zweifelt, dass man die Wahrheit sagt? Oder umgekehrt: Betrinkt man sich, wenn man sich selbst nicht mehr sicher ist, ob die eigene Wahrnehmung den Tatsachen entspricht?
    »Heute Abend erwarte ich meine Senatskollegen zum Essen in meinem Haus, Herr Knobel«, fuhr Frodeleit fort. »Ich werde ein paar Minuten für Sie abzweigen und mich mit Ihnen unterhalten. Wenn ich das tue, dann nur, um in unser beider Interesse die Fragen zu klären, die aus Ihrer Sicht im Raum stehen. Ich will endlich Ruhe vor Ihnen haben, Herr Knobel. Und ich werde einen meiner Kollegen zu dem Gespräch hinzubitten, das sollte Ihnen klar sein. Ich gehe mit den grotesken Vorwürfen, die Sie gegen mich erheben,

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