Tribunal
…!«
Frodeleit stellte sich in die Terrassentür und schloss die Tür, bis nur ein kleiner Spalt offen stand. »Verena geht es gut«, grinste er.
Stephan sah entgeistert, wie sie aufstand. Ihr fehlte nichts. Ihre Hand und ihr Pullover waren blutrot.
Sie lächelte. »Nun setzen Sie sich doch mit meinem Mann gemütlich hin!«
Verena verschwand in Richtung Diele. Kurz darauf hörte Stephan Wasser rauschen. Sie würde sich die rote Schminke im Bad abwaschen.
Frodeleit schob Stephan zur Sitzecke vor sich her. Sie nahmen Platz. Stephan war wie gelähmt.
»Wie es aussieht, sind Sie bei mir eingedrungen und haben mich bedroht, Kollege Knobel!«, resümierte Frodeleit. »Die Spurenlage ist eindeutig. Sie haben von außen die nur angelehnte Terrassentür geöffnet und hier ein Messer ergriffen, um mich zu bedrohen. Die Fingerabdrücke auf der Klingel werden wir wieder abwischen und dann selbst ein wenig bei uns klingeln. Wir machen uns hier ja wechselseitig auf, wenn wir beim Einkauf waren.« Er grinste wieder.
»Was wollen Sie?«, fragte Stephan tonlos.
»Sie wollten mich für die Fantasien Ihrer Freundin zur Rechenschaft ziehen, Kollege Knobel. Deshalb sind Sie hier. Sie können es nicht ertragen, dass Frau Schwarz nervlich durchdreht. Vielleicht wollten Sie hier den ominösen dunklen Mantel finden. Wer weiß? Ich befinde mich in einer Notwehrlage, Herr Knobel! Sie sind hier eingedrungen. Denken Sie an die Spuren!«
»Sie haben mich reingelockt.«
Frodeleit hob die Augenbrauen. »Es waren Stimmen von unserem letzten Sommerfest. Mögen Sie auch diese Atmosphäre der Sommerfeste, wenn alles stimmt? Fröhliche Gäste, leckeres Bier, Köstlichkeiten vom Grill, draußen sitzen bis in die Nacht, lauer Sommerwind. Das ist Genuss, Kollege Knobel, oder irre ich mich? – Wir lassen diese Aufnahmen sonst während unserer Abwesenheit automatisch als Schutz gegen Einbrecher laufen. Zusammen mit der wechselnden Beleuchtung ist es nicht ohne Wirkung, glaube ich.«
Er lachte. »Es machte uns großen Spaß, Sie zu erwarten. Haben Sie die kleine Kamera links oben vom Eingang entdeckt? Wir haben Sie beobachtet, Herr Knobel!«
Stephan blieb still.
»Eine Notwehrlage«, wiederholte Frodeleit. »Stellen Sie sich vor, ich würde Sie jetzt erschießen. Was sagen die Spuren über Sie, Herr Knobel? Meine Frau war ja gar nicht zu Hause. Der rote Pullover wird irgendwo weitab von hier entsorgt. Den findet keiner. Die rote Fingerfarbe verschwindet spurlos. Auf dem Teppich findet sich kein Tropfen Farbe. Und Faserspuren, die davon zeugen, dass meine Frau dort einmal gelegen hat …?« Er lachte. »Was wird passieren, wenn ich Sie erschießen werde? Glaubt man mir die Notwehrlage?«
»Es ist aberwitzig!«
»Aberwitzig?« Frodeleit tat enttäuscht. »Das ist nicht aberwitzig, Herr Knobel. Wenn die Justiz gegen sich selbst ermittelt, gelten andere Grundsätze. Es gibt hinreichend Beispiele. Und es gibt sogar Fälle, in denen Richter in fragwürdiger Notwehrlage gehandelt haben. Schauen Sie in die Geschichte. Denken Sie an den Fall aus den 8oer-Jahren, als ein Dortmunder Amtsrichter aus dem vergitterten Fenster im ersten Stock seines Hauses auf einen Betrunkenen schoss, der sich in seinem Garten befand und den der Kollege für einen Einbrecher hielt. Lesen Sie die Zeitungen von damals nach! War es wirklich Notwehr? Ich weiß es nicht. Aber ich behaupte, dass die Justiz vor dem Gesetz besser wegkommt als der Normalbürger. Jeder Richter denkt doch: Der, über den ich urteile, ist einer wie ich. Da kommt automatisch eine Sympathie auf, finden Sie nicht?«
»Es wird zu denken geben, wenn Sie binnen kürzester Zeit in zwei Verbrechen verstrickt sind. Erst Büllesbach und dann ich, das werden Sie nicht erklären können, Herr Frodeleit. Nicht einmal Sie.«
»Sie sind dem Wahn erlegen, dass ich Büllesbach umgebracht habe, Herr Knobel. Aber das ist nicht wahr. Gleichwohl erpressen Sie mich und Löffke mit diesem bloßen Verdacht. Wir haben ihn nicht getötet. Aber Sie töten mich, Herr Knobel. Sie töten meine Karriere. Justizkarrieren können allein schon durch Gerüchte zerstört werden. Deshalb war es ratsam, die Bewerbung um den Vorsitz zunächst zurückzuziehen. – Und jetzt versteigen Sie sich in den Glauben, ich bedrohe Ihre Freundin.«
»Sie waren es, Herr Frodeleit! Marie bildet es sich nicht ein. Und Sie waren auch nicht nur in der U-Bahn-Haltestelle, sondern auch in ihrer Wohnung.«
»In der Wohnung der Frau Schwarz?« Frodeleit
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