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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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er gerade erst gestorben?«
    Medardus sah sie groß an und hob überfordert die Schultern.
    Herrad wandte sich ihrem Schreiber zu. »Oshelm? Wisst Ihr Näheres? Seid Ihr dem Boten oder gar dem Leichenzug auf dem Weg nach Aquae begegnet?«
    Doch Oshelm sah sie nicht an, sondern an ihr vorbei, so starr, als wäre ein Ungeheuer aus dem Boden hervorgewachsen, um ihn zu verschlingen.
    Seinem Blick folgend gewahrte Herrad, dass Wulf als einziger die Nachricht vom Ableben des Vogts im Augenblick nicht für das Wichtigste zu halten schien. Er betrachtete stattdessen den Schreiber mit einer Mischung aus Freude und Fassungslosigkeit, als sei in ihm ein totgeglaubter Freund unter die Lebenden zurückgekehrt.
    »Auch eine gute Neuigkeit, neben all den schlechten«, sagte er schließlich und streckte Oshelm die Hand hin. »Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal wiederzutreffen, Krähe.«
    Oshelm ergriff die dargebotene Hand nicht. Stattdessen wich er erst einen, dann noch einen Schritt zurück und stützte sich schwer gegen die Eiche, an die gelehnt vorhin Malegis den Kampf beobachtet hatte. »Gott steh’ mir bei!«, sagte er leise. »Gott steh’ mir bei.«

18. Kapitel: Warmer Wein
    Der Sturm heulte ums Haus und rüttelte an den Fensterläden, doch Wulfin schlief tief und fest. Gjuki hatte in einem unbeobachteten Augenblick einen nicht gerade bescheidenen Schluck aus dem Glühweintopf genommen und sich dann ebenfalls auf dem Bett in der Küchenecke zusammengerollt. Ardeija hätte nicht übel Lust gehabt, es ihm gleichzutun und den grünen Vorhang, den er zu Zeiten von Herrads Köchin nie geöffnet gesehen hatte, zuzuziehen, um bis zum Morgen ungestört zu bleiben. Er bezweifelte aber, dass Wulfila dafür großes Verständnis aufgebracht hätte.
    Sie hatten reden wollen und doch bisher noch nicht viel gesprochen. Der Tag hatte nicht nur Wulfin müde gemacht, und wenngleich viel hätte gesagt werden müssen, war es einfacher, die blanken Kupferkessel, die im Feuerschein glänzten, zu betrachten und dem Wind und den Geräuschen in den angrenzenden Räumen zu lauschen, den leisen Stimmen, die aus dem vorderen Zimmer herüberdrangen, oder Frau Herrads Schritten und dem Rascheln ihrer Papiere hinter der Tür zur Schlafkammer. Der warme Wein mit seinen Gewürzen lähmte die Gedanken zusätzlich und Ardeija wusste, dass es längst Zeit gewesen wäre, sich aufzuraffen und zu gehen. Doch eigentlich wollte er nicht nach Hause und zurück zu all dem Ärger, der dort wartete. Hier herrschten wenigstens Ruhe und Frieden und er dachte nicht daran, diese langentbehrten Schätze so rasch wieder aufzugeben.
    Ein Poltern ließ ihn hochschrecken, doch das unterdrückte Fluchen, das unmittelbar darauf ertönte, sagte ihm, dass vermutlich nur die Leges et constitutiones vom Lesepult der Richterin gefallen waren.
    Wulfila lachte. »Ich hätte gern gesehen, wie sie sich Asgrim vorgenommen hat«, bemerkte er unvermittelt. »Mein Vater sagt, es sei eindrucksvoll gewesen.«
    Ardeija schloss beide Hände um den Becher und sah seinen Freund lange an; er meinte zu wissen, was dieser bewundernde Tonfall zu besagen hatte. »Denk nicht zu viel darüber nach, dass sich nur eine dünne Wand zwischen deinem Bett und ihrem befindet. Frau Herrad ist keine, die sich ihre Männer für eine Nacht oder einen Winter sucht, und mehr könnte nicht daraus werden, vor allem dann nicht, wenn sie den nächsten Vogt um das Hochgericht angehen will.«
    »Nein«, sagte Wulfila mit leisem Bedauern und trank seinen Wein aus, »mehr nicht.«
    Gjuki regte sich im Schlaf und ließ ein Fauchen vernehmen; seine Drachenträume mussten unruhig sein.
    Ardeija wunderte sich nach diesem Tag nicht darüber. »Sei froh«, sagte er an Wulfila gewandt. »Ich glaube, sie bringt kein Glück. Der Mann, den sie heiraten wollte, ein gewisser Alanus, hatte dem Vernehmen nach ein sehr ruhmloses Ende bei Bocernae.«
    »Ruhmlos, bei Bocernae?« Wulfila hatte begonnen, neuen Wein in seinen Becher zu schöpfen, doch dies brachte ihn zum Aufsehen.
    Ardeija nickte. »Er ist einfach unglücklich vom Pferd gefallen«, sagte er mit verschwörerisch gesenkter Stimme. »So unglücklich, dass die Feinde, die er nur von weitem zu sehen bekommen hatte, wohl erst dachten, es sei irgendeine Kriegslist, um sie zu verwirren. Es war aber keine. Armer Kerl.«
    »Ja, armer Kerl.« Wulfila legte die Kelle auf den Steinen der Herdumrandung ab; zwei rote Tropfen fielen auf das dunkle Grau. »Aber ihm ist einiges erspart

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