Tricontium (German Edition)
bevor Ihr Tricontium auch nur von weitem gesehen habt. Nehmt aber meine Glückwünsche zu Eurer Ernennung entgegen – mein Herr sendet keine, jedenfalls nicht durch mich.«
»Hätte er es getan, wäre ich auch verwundert gewesen. Aber habt Dank.«
Theodulf zuckte die Schultern. »Ihr habt keinen Grund, mir zu danken; vielleicht sollte ich Euch folglich einen Anlass geben. Nehmt also einen guten Rat an: Bemüht Euch, rasch voranzukommen und noch vor Einbruch der Nacht durch den Wald hindurch zu sein. Man weiß nie, was hier geschehen kann, wenn erst die Dunkelheit da ist. – Gebt gut acht auf Eure Herrin, Oshelm Kra!«
Damit trieb er seine kleine Stute an und war ohne rechten Abschied im Handumdrehen an Herrads Gefolge vorüber.
»Ein gutes Gedächtnis hat der Mann ja«, stellte Oshelm leicht säuerlich fest. »Es ist eine Weile her, dass mich jemand zuletzt ›Oshelm die Krähe‹ genannt hat.«
Herrad schob sich eine Haarsträhne, die der Wind losgerissen hatte, hinter das linke Ohr. »Ein gutes Gedächtnis, und kein besseres Benehmen als sein Herr. – Maurus!« Ein fast unsichtbarer Wink bedeutete dem angesprochenen Krieger, der in Ardeijas Abwesenheit eher aufgrund seiner Erfahrung und seines ehrwürdigen Alters als infolge einer förmlichen Abmachung den Hauptmann vertrat, zu ihr zu kommen. »Wählt mir zwei gute Späher aus. Theodulf hat vielleicht nur gescherzt, doch von nun an wird uns ein Kundschafter voranreiten – und ein zweiter wird mit gebührender Vorsicht feststellen, wohin unser Freund sich so spät noch begibt. Abgesehen davon beeilen wir uns, soweit es der Karren zulässt.«
Maurus nickte und ging daran, die Anweisungen der Richterin weiterzugeben. Herrad wandte sich, sobald sich die Pferde wieder in Bewegung gesetzt hatten, Oshelm zu. »Was meint Ihr? War das nur böser Spott, oder hat er uns mehr sagen wollen?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Oshelm ehrlich.
Der erste Reiter, den Maurus ausgewählt hatte, stob an ihnen vorüber, dem dunklen Waldsaum zu.
Herrad sah ihm nach. »Viel wird es nicht nützen«, stellte sie ruhig fest, »doch immerhin werden wir nachher sagen können, dass wir aufs Beste vorbereitet in einen Hinterhalt gelaufen und mit Ehren gescheitert sind. – Doch verratet mir etwas anderes. War es eine zufällige Begegnung oder hat man uns Theodulf entgegengesandt? Er hat vielleicht im Schutz der Bäume am Waldrand gewartet und sich erst gezeigt, als wir uns näherten.«
»Auszuschließen ist es nicht, doch was sollte Asgrim davon haben, uns seinen Schwertmeister auf den Hals zu schicken? Gut, wir mögen uns nun beeilen, nach Tricontium zu gelangen, und aufmerksamer sein als zuvor – doch damit ist allenfalls uns selbst gedient.«
Dagegen ließ sich eigentlich nichts einwenden, aber Herrad war nicht überzeugt. »Es ist dennoch seltsam. Theodulf war ein wenig zu begierig, mir zu erläutern, wohin er auf dem Weg sei; dabei ist er mir keine Rechenschaft schuldig. Er hätte mich schlicht in der Annahme belassen können, er wolle nach Aquae reiten. Stattdessen gibt er mir ungefragt eine unverfängliche und zugleich kaum nachprüfbare Erklärung, und dazu noch einen freundlichen Rat, der mich bewegen soll, mich nicht zu lange aufzuhalten.«
Der Schreiber wandte den Kopf und blickte zu dem alten Opferstein zurück, den sie schon weit hinter sich gelassen hatten. »Vielleicht sind seine Freunde gerade diejenigen Leute, die hier ihre Feste abhalten, und unsere Anwesenheit stünde einem solchen Treffen entgegen?«
»Hat Asgrim nicht einen Kaplan?«
»Was für Asgrim gilt, muss ja nicht für seinen Schwertmeister gelten.«
Mit Bedacht wartete Herrad ab, bis Oshelms Aufmerksamkeit ganz von dem wild in der Luft tanzenden Laub eines einzeln stehenden Baumes, der sich links der Straße im Wind bog, gefangen genommen schien, bevor sie ihre nächste Frage stellte. »Seid Ihr je Zeuge einer solchen heidnischen Feier geworden, als Ihr noch in Tricontium gelebt habt?«
»Nein«, versicherte der Schreiber und klang gleichmütig genug; doch er sah weiterhin auf die wirbelnden Blätter, nicht in Herrads Gesicht, und das war eine aufschlussreichere Antwort als die, die er absichtlich gegeben hatte.
3. Kapitel: Der Besuch des Zauberers
»Sie haben sich gar nicht um Euren Fuß gekümmert.«
Die Welt um Ardeija neigte sich und schwankte bedenklich, als er zögernd einige Schritte versuchte, doch Wulfilas stützender Griff hinderte ihn fest und verlässlich daran, zu stürzen,
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