Tricontium (German Edition)
Willen und bedauerte fast, nicht auch sehen zu können, was er dort oben hörte.
Theodulf schien einer derjenigen Lehrer zu sein, die man erst lange, nachdem man ihrem lästigen Unterricht entkommen war, zu schätzen lernte. Er lachte nicht mit den Kindern, duldete keine Nachlässigkeit und erwartete viel, aber dafür klang sein Lob, wenn er es denn einmal aussprach, auch aufrichtig. Ardeija gestand sich mit widerwilliger Bewunderung ein, dass Asgrims Schwertmeister nicht nur zu kämpfen verstand, sondern das, was er wusste, auch gut weitergab. Irgendwann einmal würden sich die angehenden Krieger vielleicht mit einem Anflug von Dankbarkeit an ihn erinnern. Jetzt waren sie noch zu jung, den Wert der Dinge, die er ihnen beibrachte, zu ermessen, und ihre unüberhörbare Freude gegen Ende des Vormittags galt vor allem der Tatsache, Theodulf für heute los zu sein. Ardeija konnte es ihnen nicht verdenken.
Im Übrigen schien die Erleichterung durchaus auf Gegenseitigkeit zu beruhen. »Die hätten wir überstanden«, murmelte Theodulf, während er nahe bei Ardeijas Fenster seine Holzschwerter zusammenpackte.
Einen Augenblick lang fragte Ardeija sich verwirrt, ob der Schwertmeister mit sich selbst oder gar mit ihm sprach; dann erwiderte eine helle Stimme: »Heute hat es auch lange gedauert … Kann ich trotzdem noch bleiben?«
Theodulf zögerte merklich. »Komm lieber heute Nachmittag wieder. Wir können das hier noch in die Waffenkammer bringen, aber viel mehr Zeit haben wir jetzt nicht. Hilfst du mir tragen?«
Während dieser Unterhaltung hatten sich Schritte genähert und ein Dritter, in dem Ardeija den Fürsten zu erkennen meinte, mischte sich ein: »Der Junge kann auch ohne Euch aufräumen. – Du bist doch stark genug, einen Armvoll Holz zu tragen, nicht wahr, Rambert? Guter Junge … – Kommt, Theodulf, mit Euch habe ich etwas zu besprechen!«
Ardeija sollte bald den Grund für diesen Befehl erfahren, denn nur wenig später öffnete sich die Tür und Asgrim erschien, um in Begleitung seines Schwertmeisters endlich den Fang, den seine Männer gemacht hatten, in Augenschein zu nehmen.
Der Fürst trug einen roten, mit Luchspelz gefütterten Mantel. Ein schmaler Silberreif auf dem ergrauenden Haar, das einst sehr dunkel gewesen sein musste, zeigte seinen Rang an. Doch all diese Kostbarkeiten, die andere dringend benötigt hätten, um würdig und Achtung gebietend zu erscheinen, waren hier nur schmückendes Beiwerk. Asgrim war einer jener vom Glück Begünstigten, die von Natur aus hochgewachsen, eindrucksvoll und alles andere als hässlich waren. Er hätte ein etwas in die Jahre gekommener Held einer alten Sage sein können.
Was sich hinter diesem beneidenswerten Äußeren verbarg, war allerdings weniger erfreulich. Fürst Gudhelm hatte seine Gründe gehabt, nichts von seinem Standesgenossen oben auf dem Brandhorst zu halten, und Asgrim hatte ihm umgekehrt nie verziehen, dass Gudhelms junger Schwertmeister den seinen bei einem Schaukampf geschlagen hatte, als der alte König in Aquae Hof gehalten hatte. Ein großmütiger Mann hätte diese Feindschaft wohl mit Gudhelms Tod vergessen. Asgrim hingegen hatte bei Bocernae Gudhelms Leichnam in seine Gewalt gebracht und sich dem Vernehmen nach von den Leuten auf Sala sehr gut dafür bezahlen lassen, ihren toten Fürsten in einem Stück wieder herauszugeben.
Hätte dies alles noch nicht ausgereicht, den Fürsten in Ardeijas Augen verachtenswert zu machen, hätte spätestens Asgrims gewaltsames Eingreifen in eine Gerichtsverhandlung das Übrige besorgt. Der Vorfall lag nur wenige Jahre zurück. Ein Krieger vom Brandhorst hatte Streit mit einem Krämer in Aquae angefangen und war dem Mann gegenüber gewalttätig geworden. Herrad hatte nicht nur die Klage des Krämers zugelassen, sondern auch gleich den Krieger bis zum nächsten Gerichtstag festgesetzt und einen Boten, der anmaßende Forderungen des Fürsten überbracht hatte, unverrichteter Dinge wieder fortgeschickt.
Genützt hatte das nicht viel, denn Asgrim war daraufhin am fraglichen Tag höchstselbst mit umfangreichem Gefolge unter der alten Linde erschienen und hatte seinen Mann unverurteilt befreit, nicht ohne den unglücklichen Krämer noch ein zweites Mal verprügeln zu lassen und die eingreifende Richterin selbst niederzuschlagen. Dass das Handgemenge zwischen den Brandhorstleuten und den Kriegern der Richterin niemanden das Leben gekostet hatte, war eher ein glücklicher Zufall als sonst irgendetwas
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