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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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den Freund, die Ardeija in dieser Hinsicht empfand, gesellte sich die nicht ganz uneigennützige um den Boten, denn seine eigene Lage war auch nicht erfreulich.
    Während er nicht bei Bewusstsein gewesen war, musste sich jemand an Bernsteinamulett und Silberkreuz zu schaffen gemacht haben, vielleicht, um die Arbeit des Zauberers zu erleichtern. Als Ardeija erwacht war, hatte sich die Kette jedenfalls nicht mehr an seinem Hals befunden, sondern fein säuberlich aufgerollt neben dem Wasserkrug. Keine der Wachen hatte sich zu dem Vorfall geäußert, auch Theodulf nicht, der spät in der Nacht noch einmal erschienen war, um nach dem Gefangenen zu sehen. Der Schwertmeister hatte sogar den Vorwurf unbeantwortet gelassen, er und Malegis hätten wohl das Eingreifen guter Mächte verhindern wollen, die einem bösen Zauber hätten im Wege stehen können.
    Dementsprechend unsicher war Ardeija sich auch, ob er sich darüber freuen sollte, dass er seinen schmerzenden Arm wieder bewegen konnte und genug bei Kräften war, um ohne Hilfe umhergehen zu können. Wie konnte er denn wissen, ob er sich tatsächlich zu erholen begann oder ob die vermeintliche Besserung nur Blendwerk war?
    Nicht durch Zauberkunst vorgegaukelt, sondern höchst wirklich waren hingegen die Mauern seines Kerkers, die schweren Eichenbohlen der Tür und die vollständige Abwesenheit jeglicher Waffe. Asgrims Leute waren leider klug genug gewesen, die Kette, an der Wulfila gelegen hatte, zu entfernen, und der Wasserkrug war zu dünnwandig, als dass sich mit ihm oder gegebenenfalls auch mit seinen Scherben viel Schaden hätte anrichten lassen. Ohnehin wäre es wohl vermessen gewesen, auf eine günstige Gelegenheit zur Flucht zu hoffen. Was in alten Geschichten stets gelang, ließ sich in Wirklichkeit leider nur selten ohne Hilfe umsetzen.
    So blieb nichts, als darauf zu warten, dass sich etwas tun würde, und währenddessen die gemalten Blumen zu betrachten. Doch auch das war auf die Dauer nicht gut, denn das ließ ihn nur an Richenza denken, an die er sich jetzt ganz gewiss nicht erinnern wollte. Gemalte Akeleien verband er mit dem letzten guten Tag, den sie miteinander verbracht hatten. Ardeija hatte staunend zugesehen, wie aus den unfertigen Formen rings um die Füße einer Muttergottes im leuchtendblauen Umhang eine Blume nach der anderen geworden war, und leise bedauert, dass das Innere der Justinuskirche viel zu düster war, um das neue Wandgemälde recht zur Geltung kommen zu lassen.
     »Sie werden ganz gut, nicht wahr?«, hatte die Malerin mit verhaltenem Stolz gefragt, als wären die kleinen Blümchen weit gelungener und bedeutender als die Falten des Mantels oder Marias mild lächelndes Antlitz zwischen den dunklen Locken.
    Ardeija hatte an der nächsten Säule gelehnt und Gjuki, der sehr darauf aus gewesen war, die Schnauze in eines der kleinen Farbtöpfchen zu stecken, am Schwanz festgehalten. »Nicht nur ›ganz gut‹; fast schöner als die echten.«
    Dann hatte er sich ebenso liebevoll wie vergeblich bemüht, den Streifen hellgrüner Farbe zu entfernen, den Richenza bei einer unbedachten Bewegung auf ihrer Stirn hinterlassen hatte. Ihre Haut war unter seinen Fingern zart und warm gewesen, doch es lag ein Missklang in dieser schönen Erinnerung und allen früheren, denn ein jüngeres Bild überlagerte sie immer wieder, das einer zu Recht und doch zu Unrecht sehr ärgerlichen Richenza, die an einem sonnigen Frühlingstag vor einer Schmiede an der Straße nach Corvisium so gründlich die Beherrschung verlor, dass Vorüberkommende stehen blieben, um zu gaffen. Ardeija wusste nur zu gut, dass zu diesem Bild kränkende Worte über geile Böcke gehörten, die sich nicht zu schade seien, jede Dorfhure zu bespringen, doch auch das mitfühlende Zwitschern Gjukis nahe an seinem Ohr.
    Damals war ihm die Nähe des kleinen Drachen nur wie ein schwacher Trost erschienen, doch das, was man hatte, wusste man wohl nie genug zu schätzen. Jetzt fehlte ihm Gjukis Gesellschaft nämlich durchaus und es war viel zu still, zumindest so lange, bis Theodulf ihm unwissentlich einen Gefallen tat und für Unterhaltung sorgte, indem er mit einigen seiner Schwertschüler den Hof mit Beschlag belegte. Es schienen etwa sechs oder sieben Kinder dort zu sein. Ihr Flüstern untereinander, ihr gelegentliches Gelächter, die hastigen, leichten Schritte und das Aufeinandertreffen der hölzernen Übungswaffen waren Ardeija aus seinen Zeiten in Sala wohlvertraut. Er lächelte gegen seinen

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