Tricontium (German Edition)
angefunden hat – wenn ja, soll sie uns eine Schale kochen.«
Maurus war sichtlich gekränkt, dergestalt fortgesandt zu werden, doch er wusste wohl gut genug, dass es sich nicht gelohnt hätte, seiner Herrin zu widersprechen. Dennoch nahm er sich die Zeit, sich vertraulich zu Wulfila hinunterzubeugen. »Wir müssen einmal reden, Herr Wulfila. Ich habe als Söldner unter Eurem Vater gekämpft, vor über zwanzig Jahren, als Bernward vor Sirmiacum mit Amelung von den Saxones in Fehde lag. An die Zeit erinnere ich mich gern! Und kennt Ihr vielleicht noch … «
Ein warnender Blick, nicht von Wulfila, ließ ihn innehalten; mit einem mürrischen Nicken gegen die Richterin entfernte er sich.
Herrad sah ihm prüfend nach, bevor ihre Augen sich kurz auf Oshelm richteten, der dem Gespräch erst mit erstaunter, dann fast mit entsetzter Miene gefolgt war. Wahrscheinlich überstieg es sein Begriffsvermögen, dass ein gemeiner Dieb, der bekanntlich seinem Sohn nichts Sinnvolles beibringen konnte, einmal sehr viel bessere Tage gesehen hatte, doch er verstand die stumme Aufforderung und entfernte sich eilig.
Wulfila beschloss, sicherheitshalber hilfsbereit zu sein. »Ich könnte mir denken, dass Gjuki hungrig ist«, sagte er und hob den Drachen, der eigentlich nicht wirkte, als fehle ihm irgendetwas zu seinem Glück, von seinem Schoß, um ihn Wulfin zu reichen. »Vielleicht kannst du Frau Herrads Magd fragen, ob sie ihm etwas zu fressen geben kann?«
Das Feuer, an dem die Bedienstete eben ihre Beschäftigung mit dem Kessel aufgegeben hatte, um den unerhörten Neuigkeiten des alten Kriegers zu lauschen, befand sich in Sichtweite, und der Junge würde kaum auf dem Weg dorthin verloren gehen.
Die Richterin lächelte. »Tu das, ja«, sagte sie an Wulfin gewandt, »aber sieh zu, dass du Gjuki gut festhältst – er ist schon einmal in einen Kochtopf gefallen, weil er neugierig war, und wenn auch Hitze einem Drachen nicht viel schadet, kann er seinerseits der Suppe sehr viel anhaben. Wir wollen doch nicht, dass sie ungenießbar wird, nicht wahr?«
Wulfin nickte gehorsam und wandte sich zum Gehen, doch er wirkte, als wüsste er nur zu genau, weshalb die lange aufgeschobene Drachenfütterung auf einmal so dringend notwendig geworden war.
»Ihr werdet Euch einen Vorrat besserer Ausreden anlegen müssen, um ihn nicht mit solch durchschaubaren Vorwänden zu beleidigen«, bemerkte Herrad, indem sie sich ohne weitere Umstände auf die mittlere von fünf Stufen, die ins Leere führten, setzte.
Wulfila hob einen Stein auf, um den so mühevoll begonnenen Bericht zu beschweren. »Auf jeden Fall ist er imstande, sich ein Stückchen Brot für den Drachen geben zu lassen und dann geradewegs zurückzukommen. Also sprecht rasch, wenn wir keine Zuhörer haben dürfen.«
Doch Herrad ließ sich nicht zur Eile drängen. »Corvisianus’ Sohn also, und daher auch Ardeijas Freund. Was war in der Feldflasche, die Ihr ihm bei Bocernae gegeben habt?«
»Tee und Apfelwein und das Zeug, was die Barsakhanen brauen«, gab Wulfila zurück, ohne lange überlegen zu müssen, obgleich er nicht damit gerechnet hatte, so geradeheraus auf die Probe gestellt zu werden. Es überraschte ihn, dass die Richterin diese Geschichte überhaupt kannte. »Hat er Euch das erzählt?«
Herrad klärte ihn nicht darüber auf, wie sie zu ihrem Wissen um jene Feldflasche gelangt war, sondern verzog nur das Gesicht. »Wie seid Ihr auf solch eine Mischung verfallen?«
Wulfila hob die Schultern. »Hilft gegen alles, sagt mein Vater … Und so schlimm, wie es klingt, schmeckt es nun auch wieder nicht.«
Die Richterin wirkte nicht völlig überzeugt von der Harmlosigkeit des beschriebenen Gebräus. »Wahrscheinlich könnt Ihr einiges vertragen.«
Unglücklicherweise klang sie nicht sonderlich bewundernd, doch Wulfila beschloss, dass der tadelnde Ton sich rein gewohnheitsmäßig in ihre Stimme geschlichen haben musste; ihr Amt gab ihr gewiss selten Gelegenheit, etwas Lobendes zu sagen.
»Wie gesagt, gar so schlimm ist es nicht«, erwiderte er deshalb nur mit einem Lächeln. »Doch was nun, da Ihr die Annahme Eures Kriegers über meine Person so halb und halb überprüft habt?«
»Ihr wisst, dass ich Euch vielerlei Fragen stellen könnte, zu den jüngsten Geschehnissen ebenso wie zu den weiter zurückliegenden.« Herrad hatte die Hände über einem Knie verschränkt; für eine Dame ihres Standes trug sie wenige Ringe und nur der am kleinen Finger der rechten Hand war mit einem
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