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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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dachte, für niemanden als ihn allein bestimmt war. »Das habe ich Euch schon auf dem Brandhorst gesagt.«
    »Ich weiß; es klang nach einer ebenso weit hergeholten wie feigen Ausrede. Ihr hattet nie einen Sohn erwähnt, viel weniger noch, um wen es sich handelt.«
    Theodulf zögerte und Ardeija ahnte, dass er einem anderen Asgrim aus besseren Tagen die Geschichte von Asri und dem Kind, das sie ihm verschwiegen hatte, vielleicht erzählt hätte. Den Mann hingegen, der ihm die Hände gebrochen hatte, würde er nicht an all dem teilhaben lassen. »Welchen Grund hätte ich gehabt, Euch ungefragt mit meinen Belangen zu belästigen? Ihr wolltet weder auf Hallis Hof noch später je wissen, ob ich Frau und Kinder hätte.«
    »Ihr habt Euch nie verhalten, als ob dem so sei«, sagte Asgrim und war wohl noch immer zu erstaunt, sehr verärgert zu klingen oder sich auch nur daran zu stören, dass mittlerweile einige Lauscher näher heranrückten. »Was seid Ihr für ein Mensch, dass Ihr Euren Sohn erst so zurichtet, wie Ihr es getan habt, bevor Euch einfällt, dass Ihr ihm doch lieber helfen wollt?«
    Darauf hatte Theodulf keine Antwort, denn jede, die auch nur halbwegs ehrlich gewesen wäre, hätte zu viel preisgegeben.
    »Damals kamen wir gerade nicht so gut miteinander aus«, sagte Ardeija rasch, als könne das alles erklären. »Wir haben uns erst auf dem Brandhorst versöhnt.«
    Asgrim sah vom Vater zum Sohn und wieder zurück; dann schüttelte er angewidert den Kopf. »Ich weiß nicht, an wem Ihr schlimmer gehandelt habt, an Eurem Sohn oder an mir. Wahrscheinlich fleht er nur um Gnade für Euch, weil er bereut, Euch neulich durch seine Unbedachtheit verraten zu haben. Aber soll ich Euch etwas sagen? Wenn ich ihm gebe, worum er bittet, wird er eines Tages noch viel mehr bereuen, um Eure Freilassung gebettelt zu haben. Jemandem zu Hilfe zu eilen, wenn er gerade in arger Not ist, fällt einem leicht, weil man nicht bedenkt, was man sich damit vielleicht aufhalst, einen übellaunigen, nutzlosen Alten etwa. Er wird sich wünschen, Ihr wäret nie in sein Haus gekommen. Dann werdet Ihr mich beide für meine übergroße Barmherzigkeit verfluchen und daran denken, dass große, traurige Schicksale immerhin besungen werden, während lästige, gewöhnliche nur ertragen werden müssen und einen Niemand aus einem machen.«
    Theodulfs heiteres Lächeln war unerwartet, aber vielleicht war es nicht mehr als eine Waffe gegen die Worte, die ihn getroffen haben mussten. »Ihr müsst es ja wissen, Fürst; schließlich besingt man Otachar von Tricontium heimlich viel und Asgrim vom Brandhorst selbst öffentlich selten.«
    Asgrim hob die Hand wie zum Schlag und ließ sie doch wieder sinken. »Nehmt Euren Sohn und geht mir aus den Augen«, sagte er, und das mochte Gnade, Schuldeingeständnis und letzter Vorwurf in einem sein.
    Theodulf fragte nicht. Er drehte sich nur um und ging ohne Abschied. Ardeija folgte ihm, ehe Asgrim es sich noch anders überlegen konnte.
    Sie beeilten sich, aus der Burg hinauszukommen. Die Torwachen sahen sie zwar sehr verwundert an, als sie vorüberkamen, wagten aber anscheinend nicht, auch nur eine Bemerkung zu machen.
    Theodulf blieb erst stehen, als sie einige Straßen von der Burg entfernt zu einem römischen Brunnen kamen. Aus dem moosigen Löwenmaul war schon lange kein Wasser mehr geflossen. Theodulf setzte sich auf die marmorne Umfassung; ihm zitterten die Beine.
    »Danke«, sagte er mit gesenktem Kopf.
    »Nichts zu danken. Die Sache hätte auch sehr schlecht ausgehen können.«
    Endlich sah Theodulf Ardeija an. »Wer sagt, dass sie gut ausgegangen ist? Ganz Unrecht hat Asgrim nicht.«
    Ardeija war zu erschöpft, als dass er hätte lügen können, um den gequälten Ausdruck aus Theodulfs Augen zu verscheuchen. »Sie werden wohl keine Lieder über uns singen, das ist wahr«, räumte er ein, »und wahrscheinlich werde ich oft auf dich schimpfen und du auf mich und meine Mutter auf uns beide; das Haus ist zu klein, um das zu vermeiden. Aber in einem hat Asgrim doch Unrecht. Ich werde mir nie wünschen, du wärst nicht da.«
    »Das sagt sich leicht.«
    »Ich meine es aber ernst.«
    Theodulfs Gesicht wurde starr und Ardeija fürchtete fast, dass er ihm nicht glaubte; dann aber ging ihm auf, dass der Blick seines Vaters nicht auf ihn, sondern auf etwas hinter ihm gerichtet war, und als er sich umwandte, sah auch er den Tiger.
    Es musste ganz einfach ein Tiger sein, denn er ähnelte dem Bild in Frau Herrads Physiologus

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