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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Ardeija zu leid tat, als dass er so sehr hätte lachen können, wie er gern gewollt hätte.
    Doch die Richterin kannte kein Erbarmen. »Ohne Zweifel, da sitzt der Beweis. Aber bemerkenswert ist es doch. Oder seid Ihr Eurer Frau etwa auch auf dem Pferdemarkt begegnet?«
    Erst jetzt ging Wulfila auf, dass sie nicht scherzte, um Ardeija noch weiter zu quälen, sondern um das Gespräch leichthin in heitere Bahnen zu lenken und nicht neben allen äußeren Sorgen auch noch das Leid, das diese Erkenntnis für Ardeija bedeutet haben musste, ausführlich zu erforschen. Es war nicht der schlechteste Ansatz und Wulfila beschloss, ihr nach Kräften zu helfen.
    »Merula?« Er sah zu Wulfin hinunter, dem es gelungen war, die Schüssel in erstaunlich kurzer Zeit fast ganz zu leeren, so dass er sich jetzt damit vergnügen konnte, mit einem Finger die letzten Reste aufzusammeln. Die Locken, die ihren beharrlichen Kampf gegen das Haarband schon fast wieder gewonnen hatten, hatte er von seiner Mutter, vielleicht auch die Selbstvergessenheit, mit der er sich einem guten Essen widmen konnte. »Nein. Meine erste Erinnerung an sie ist, dass ich in einer Pfütze gelandet bin, als ich ihr nachlaufen wollte. Da waren wir noch Kinder. Aber so etwas liegt in der Familie. Mein Vater ist meiner Mutter auch vor die Füße gefallen, nur war er da fast zwanzig Jahre älter als ich zum Zeitpunkt meines Missgeschicks und kam vom Dach eines Schweinestalls. Das hat bestimmt mehr Eindruck gemacht als all meine Bemühungen.«
    Herrads Miene war unergründlich. »Was hat Euer Vater auf einem Schweinestall getan?«
    Wulfila hob die Schultern. »Er wollte eine kleine Katze retten, die scheinbar verloren dort oben saß. Sie ist aber dann allein wieder heruntergekommen. Nun, er ja auch. Nur weniger geschmeidig als die Katze.«
    Herrad schüttelte den Kopf. »Pferdemärkte, Schweineställe … Da lobe ich mir meine geordneten Verhältnisse. Meine Mutter war königliche Zolleinnehmerin in dem Turm bei Mons Arbuini und mein Vater Schreiber beim damaligen Vogt von Aquae. Kurz nach dem Barsakhanensturm hat er unter Berufung auf sehr zweifelhafte Privilegien versucht, den Wegzoll für zwei Pferde zu umgehen, die er im Würfelspiel gewonnen hatte. Als er damit nicht durchkam, zog er verärgert ab und versuchte es in der folgenden Nacht heimlich. Damit ist er natürlich auch nicht durchgekommen. Meine Mutter ließ ihn erst einmal einsperren. Genug Geld zur Begleichung des Wegzolls hatte er nämlich gar nicht dabei, sonst hätte er ihn wohl freiwillig bezahlt. Das will ich zumindest stark hoffen.« Sie lächelte leicht. »Nach ein paar Tagen wurde der Vogt in Aquae auf die Lage aufmerksam und wollte sie bereinigen, aber da fand meine Mutter meinen Vater schon so unterhaltsam, dass sie den Boten des Vogts sagte, sie sollten später wiederkommen, in ein oder zwei Wochen. Nach Ablauf dieser zwei Wochen sagte sie dann meinem Vater, dass sie ihm gegen ein Eheversprechen den Wegzoll nachträglich erlassen würde. Und darauf ging er ein.«
    Die Erzählung hatte die wohl beabsichtigte Wirkung, denn Ardeija vergaß seinen Kummer lange genug, um den Kopf zu heben und Herrad ungläubig anzusehen. »Das hat sich wirklich so zugetragen?«
    »So wahr ich hier sitze.« Die Richterin wippte mit den Fußspitzen und sah recht vergnügt aus. »Können wir nun wieder zu den eigentlich wichtigen Dingen kommen, nachdem wir all diese rührenden Geschichten ausgetauscht haben?«
    Sie hatte gewiss nicht damit gerechnet, dass Wulfin sich ebenfalls einmischen würde. »Aber war Euer Vater Eurer Mutter denn nicht böse dafür?«
    »Wulfin! Das geht uns nichts an.« Zugegebenermaßen hätte Wulfila selbst gern gewusst, wie es sich damit verhielt.
    Herrads Blick richtete sich erst auf ihn, dann auf den Jungen. »Das geht dich und alle anderen zwar wirklich nichts an, aber ich kann es dir dennoch verraten. Komm her, dann sage ich es dir ins Ohr und wir können die anderen im Unklaren lassen!«
    Der Vorschlag gefiel Wulfin sichtlich und was auch immer Herrad ihm flüsternd mitteilte, schien lustig zu sein. Wulfila fragte sich allerdings, warum sie dabei ihn, und ihn allein, über den Kopf seines Sohnes hinweg ansah, als spräche sie in Wahrheit zu ihm. Ihr Blick blieb selbst dann noch auf ihm ruhen, als sie Wulfin leicht auf die Schulter klopfte, um anzuzeigen, dass die Geheimnisweitergabe nun beendet sei. »Darüber hinaus war es dem Glück ihrer Ehe wohl nicht abträglich, dass meine Mutter in den

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