Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
sank Tabori im Halbschlaf unter die weichen Daunen.
»Ruh dich aus.« Ludwig breitete sanft die Decke über ihn aus. »Morgen wird es dir besser gehen. Gute Nacht, mein Junge.« Er löschte das Licht.
82
Anders als die Suchmeldung der Polizei, die lediglich aus Manuels Foto und einer nüchternen Personenbeschreibung bestand, verfasste Anna ihre Pressemitteilung bewusst persönlicher. Frank, der Creative Director der Gestalter,
der in seinem vorherigen Leben Boulevardjournalist gewesen war, brachte es auf den Punkt: menschlicher
.
Er hatte ihr auch geholfen, die richtigen Worte zu finden, sodass auf diese Weise ein eindringlicher Text zustande gekommen war – über Annas Beziehung zu Manuel und die Angst einer Mutter um ihren Sohn.
Nina legte ihre Stirn in nachdenkliche Falten. »Glaubst du, das ist richtig?«
Anna rief sich andere Fälle vermisster Kinder vor Augen. Die Sache in Spanien vor ein paar Jahren. Oder jüngst das Verschwinden des kleinen Mädchens in Leipzig. »Du weißt doch, wie das Geschäft funktioniert.«
»Aber Darling, diesmal geht es um kein Geschäft.«
»Nein, ich weiß, es geht um Manuel, meinen Sohn.«
»Deshalb solltest du auch wissen, was mit dieser Mitteilung auf dich zukommt.«
»Aber gerade weil ich das weiß, bin ich überzeugt, dass es richtig ist.« Entschlossen drückte Anna ihrer Freundin die Pressemitteilung in die Hand. »Fax sie raus.«
Bereits eine Stunde später sendeten der
RBB
,
MDR
,
TV Berlin
,
Radio 1
,
RTL 104
,
6
und einige andere lokale Fernseh- und Radiostationen Annas Aufruf. Weitere dreißig Minuten später sprangen die ersten überregionalen Medien darauf an.
So funktioniert das Geschäft.
Sobald die Redaktionen eine Tragödie wittern
,
senden sie ihre Reporter aus.
Im Meetingraum der Gestalter
schaltete Nina den Fernseher ein. Zwischen ihre Schulter und das Kinn hatte sie ihr Telefon geklemmt. Auf einer anderen Leitung sprach Anna gerade mit dem stellvertretenden Geschäftsführer von LitCompany, die Berliner Bushaltestellen, S- und U-Bahnhöfe mit Leuchtreklame bestückte. Er wollte bei der Suche nach Manuel gerne helfen, konnte aber seinen Chef nicht erreichen, der bereits in den Feierabend entschwunden war.
»Du bist mir einen Gefallen schuldig«, erinnerte ihn Anna.
»Ich weiß, trotzdem kann ich das nicht alleine entscheiden.«
»Dann gib mir wenigstens die Leerflächen, die gerade nicht vermietet sind.«
Nach einigem Zaudern willigte er endlich ein und versprach, umgehend einen Trupp Plakatierer mit der Vermisstenmeldung in Postergröße loszuschicken, die Dietrich in weiser Voraussicht schon entworfen und vervielfältigt hatte.
Als Anna aufgelegt hatte, berichtete Nina sofort: »Gerade habe ich mit der
Bild
gesprochen
.
Sie möchten deine Geschichte morgen auf der Titelseite bringen. Allerdings will der Redakteur ein Foto, das nicht in der Abendausgabe vom
Tagesspiegel
erscheint.«
Anna warf dem Praktikanten ein weiteres Bild von Manuel zu, das sie zu Hause einem Familienalbum entnommen hatte. »Scan das bitte ein!«
Dietrich kam ins Zimmer und schwenkte einen Stapel Papiere. »Und wer kriegt jetzt die neuen Handzettel?«
Seine karierte Hose und das gestreifte Hemd taten Anna in ihren überanstrengten Augen weh. »Schick sie bitte an ProMa
.
« Die befreundete Promotionagentur hatte in der Vergangenheit einige Aufträge für die Gestalter erledigt. »Sie werden die Handzettel in den Kneipen und Restaurants der Stadt verteilen.«
Nina drehte am Lautstärkeregler des TV-Apparats, und alle Gespräche verstummten. Die
RTL-
Nachrichten informierten ihre Zuschauer über das Verschwinden
des kleinen Manuel.
In großen Lettern prangte sein Name auf dem Bluescreen unter seinem Foto und hinter dem Anchorman.
War das da wirklich ihr Sohn? Geschah das alles tatsächlich mit ihr? Ein überwältigendes Gefühl von Irrationalität bemächtigte sich Annas. Zum Glück brachte Nina sie auf andere Gedanken: »
Pro7
will ein Interview mit dir.«
Anna überlegte nicht lange. »Okay. Führen wir das Gespräch vor meinem Haus.«
»Geht das jetzt nicht wirklich zu weit?«, zweifelte Nina.
»Im Gegenteil«, widersprach Anna. »Sollte Manuel tatsächlich entführt worden sein und sein Entführer das Interview mitbekommen, dann möchte ich, dass dieser Scheißtyp nicht mehr nur einen kleinen, fremden Jungen in ihm sieht, sondern Manuel, der ein Zuhause und eine besorgte Mutter hat.«
Kurze Zeit später machten Nina und Anna sich auf den Weg nach Prenzlauer
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