Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
sich leuchtend durch eins der Holzscheite. Es knackte, und Funken stoben in die Höhe. »Als ich ihn darauf ansprach, ist er ausgeflippt … Dann die heimlichen Telefonate. Seine Ausflüchte, seine Lügen. Und ich war so dumm und habe mich von ihm täuschen lassen.«
Mit entgeisterter Miene ließ sich Bernd neben Anna nieder. »Du weißt ja, dass ich nicht viel von meinem Bruder halte, aber das, nein, das kann ich mir nicht vorstellen … Warum sollte er so etwas tun?«
»Reicht es nicht, dass er es getan hat? Brauchst du auch noch einen Grund?«, fuhr Anna aus ihrer Haut.
»Was ich jetzt brauche, ist eher ein starker Drink. Du auch?« Bernd nahm Anna die Tasse ab und berührte dabei zärtlich ihre Hand.
Eine Gänsehaut kroch ihren Arm hinauf. Anna lehnte sich in der Couch zurück. Inzwischen glühte ihre Stirn, und kleine Schweißperlen zeichneten sich darauf ab. Das viele Reden und die Flucht hatten sie angestrengt. Ihr Hals schmerzte. Sie stellte fest, dass sie sich tatsächlich nach einem Drink sehnte, aber sie musste auf jeden Fall einen klaren Kopf behalten. »Nein danke.«
Als Bernd wieder in der Küche verschwunden war, wischte sich Anna über die Stirn. Ihr war unerträglich heiß. Weil sie es kaum noch aushielt, öffnete sie die Glastür des Wintergartens zum Hof. Dankbar sog sie die frische Winterluft ein. Beim Ausatmen bildeten sich kleine Wölkchen vor ihrem Mund, und ihre Lunge rasselte. Es war das einzige Geräusch, das inmitten der winterlich weißen Einöde zu vernehmen war.
Nein
,
da ist noch etwas.
Gedämpft. Weit entfernt. Oder kam es aus Bernds Atelier jenseits vom Hof?
Es fühlte sich gut an, Bernd alles erzählt zu haben. Es machte die Sache insgesamt zwar nicht besser oder gar ungeschehen, aber sie spürte doch, dass ein Teil der Last von ihr abgefallen war.
Du bist nicht mehr alleine.
Bernd würde ihr helfen, das hatte er ihr versprochen. Jetzt mussten sie gemeinsam überlegen, was als Nächstes zu tun war. Bernd würde bestimmt eine Lösung wissen.
Sie verließ das Zimmer und vertrat sich die Beine auf dem Rasen. Sie mochte das leise, sanfte Knirschen unter ihren Schuhen, wenn sie einen Schritt machte. Es rief die Erinnerung an Manuel wach, mit dem sie Bernd mehrmals im letzten Winter hier auf seinem Hof besucht hatte.
Da ist es wieder!
Das Geräusch aus dem Atelier riss sie aus ihren Gedanken. Es klang ganz und gar nicht nach Arbeit. Eher nach einem Schrei. Einem Hilfeschrei. Von einem Kind. Mit nicht vorstellbarer Kraft meldete sich die überwunden geglaubte Angst zurück.
Anna zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis sie vor dem Atelier stand. Drinnen war es still. Nichts war zu hören.
Du hast dich getäuscht. Aber wenn nicht?
Ihr war kalt.
In einem der etlichen Schlösser, mit denen die Tür gesichert war, steckte noch der Schlüssel. Ohne nachzudenken, drehte Anna mit einer Hand den Schlüssel im Schloss herum, während sie mit der anderen nach der gefrorenen Türklinke griff und die Tür vorsichtig aufzog. Verängstigt schaute ein kleiner Junge zu ihr auf. Er umklammerte einen Rucksack und ein Shirt. Beides kam ihr bekannt vor.
Plötzlich sagte eine kalte Stimme hinter ihr: »Du hättest nicht herkommen dürfen.«
153
Wolfsbach griff nach der Kaffeetasse. Nur noch der körnige Bodensatz schwappte darin umher, dennoch leerte er den Becher in einem Zug. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: »Diese Pädo-Kreise sind vollständig in sich geschlossen, selbst wir als Sozialarbeiter haben nahezu keinen Zugang. Die Männer tauschen sich untereinander aus, per E-Mail, mit Bildern und Videos. Sie reichen die Kinder weiter, und die Jungen wiederum erzählen sich gegenseitig von den Männern, deren Wohnungen, deren Angeboten – und natürlich auch von deren sexuellen Praktiken. Obwohl diese, das möchte ich nochmals betonen, bei allem immer nur nebensächlich sind – zumindest für die Jungen. Für sie geht es um Sicherheit, Schutz und Geborgenheit.«
So viel hatte Kalkbrenner inzwischen auch schon verstanden, begreifen konnte er es jedoch immer noch nicht. »Wenn aber ein schwarzes Schaf existiert, spricht sich das in der Szene herum?«
Wolfsbach grummelte unverständlich. »Bei dem, was sie machen, sind die Männer sehr raffiniert. Und wenn da einer rumläuft, der mehr von den Jungen möchte, dabei über die Stränge schlägt und möglicherweise sogar mordet … nun, dann ist leider dennoch nicht gesagt, dass er dabei überhaupt auffällt. Hier kommen
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