Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Nummer in seinem Handy.
151
Alles schien sich in Taboris Kopf zu drehen. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, aber das Gefühl war nicht unangenehm. Eher lustig. Er brauchte eine Weile, bis er seinen Blick wieder geradeaus richten konnte. Nackt, wie er war, setzte er sich auf das Sofa. Er schaute sich im Raum um, aber es gab nichts Interessantes zu entdecken.
Das Sektglas war schon wieder leer. Er rülpste. Es war kein so lauter Rülpser, dass er für die Olympiade mit Ryon gereicht hätte, aber er war trotzdem ganz ordentlich. Tabori kicherte, dann wurde er von einem Gähnen überrascht. Er machte es sich auf den Hemden und T-Shirts gemütlich, die auf der Couch neben ihm einen Turm bildeten, und wünschte sich, er würde auch so viele Kleider besitzen. Nicht nur zwei Paar Schuhe, eines für den Sommer und eines für den Winter. Und nicht nur die wenigen gebrauchten Hemden, die er von Mickael bekommen hatte.
Er durchwühlte den Haufen und fand einen Rucksack, den er beiseitewarf. Das Shirt, auf dem ein großes gelbes, grinsendes Comicgesicht leuchtete, gefiel ihm schon besser.
Spider-Schwein
war in großen Buchstaben daruntergeschrieben. Etwas in seinem Gehirn machte klick. Ein ähnliches Shirt hatte er doch schon einmal gesehen. Auch der Anstecker mit der gelben Familie kam ihm bekannt vor. Er überlegte krampfhaft, konnte sich aber nicht erinnern, woher. Sein Kopf war zu durcheinander, als dass es ihm eingefallen wäre.
Er bückte sich nach dem Zeitungshaufen neben der Couch. Obenauf lag eine Tageszeitung, die aus dem Vorjahr stammte.
Bio auf der Grünen Woche
,
lautete eine Schlagzeile. Eine andere berichtete:
Griechische Fähre vor Piräus auf Felsen gelaufen.
Und noch eine:
Junge aus Zehlendorf wird vermisst.
Und:
Aufnahme des Flugverkehrs zwischen Indien und Pakistan.
Nichts, was Tabori interessierte. Das meiste verstand er sowieso nicht.
Gelangweilt nahm er die nächste Zeitung zur Hand. Sie war vom letzten Sonntag. Auf der Titelseite sprang ihm sofort die Überschrift ins Auge:
Manuel tot!
Das Foto darunter zeigte Manuels erschütterte Eltern. Tabori überflog den Bericht. Obwohl er nur die Hälfte verstand, begriff er sofort: Manuels Tod war kein Unfall gewesen. Er war entführt und dann ermordet worden.
Traurig legte er die Zeitung beiseite. Er hatte Manuel nur kurz gekannt, aber trotzdem fühlte es sich an, als hätte er einen guten Freund verloren. Armer Manuel. Arme Eltern.
Die nächste Zeitung war von heute. In ihr wurde die Bevölkerung zur Mithilfe aufgerufen, denn Manuels Kleidung und sein Rucksack wurden noch immer vermisst. Möglicherweise befanden sie sich noch im Besitz des Mörders, so der Artikel. Tabori betrachtete die Bilder. Sie waren ziemlich unscharf, aber er erkannte die Klamotten wieder.
Spider-Schwein.
Das war das Shirt, das Tabori eben noch in den Händen gehalten hatte. Dazu der Button. Sogar der hellblaue Rucksack, der in der Zeitung abgebildet war, lag wenige Zentimeter neben ihm auf dem Boden. Das konnte doch kein Zufall sein!
Jetzt fiel Tabori auch wieder ein, warum ihm Erich so bekannt vorgekommen war. Mit zitternden Händen griff er erneut nach der Zeitung vom Sonntag und betrachtete das Bild mit Manuels Eltern. Der Vater, das konnte Tabori mit Gewissheit sagen, war nicht jener Mann, mit dem Manuel den
Saturn
verlassen hatte und in dessen Wagen er gestiegen war. Er sah ihm nicht einmal ähnlich. Nein, dieser Mann war Erich gewesen. Aber was hatte das zu bedeuten? Noch immer war Tabori ganz schummrig im Kopf. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren.
Manuels Kleidung und sein Rucksack werden gesucht. Möglicherweise sind sie noch im Besitz des Mörders.
Mit einem Mal verstand Tabori.
Obwohl er vor Angst unkontrolliert zitterte, zwang er sich aufzustehen. Torkelnd klaubte er seine Kleider vom Boden zusammen. Bis er sich endlich angezogen hatte, benötigte er mehrere Anläufe, mal fand sein Arm den Ärmel nicht, mal verfehlte sein Fuß das Hosenbein. Mit Manuels Shirt und dem Rucksack lief er zur Tür. Sie ließ sich nicht öffnen. Er rüttelte an der Klinke. Vergeblich. Das Schloss war anscheinend von außen verriegelt worden.
Sein gehetzter Blick flog durch das Zimmer. Die schmalen Fenster lagen viel zu hoch, als dass er durch sie hätte fliehen können. Folglich konnte auch niemand von außen in den Raum sehen. Er versuchte, den Schrank unter die Fenster zu schieben, aber er ließ sich keinen Zentimeter verrücken.
Panisch rannte Tabori zurück zur Tür.
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