Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
immer als ein besonderer Freund und Förderer hiesiger Kunstschaffender. Dort zum Beispiel«, sie zeigte auf einen mittelhohen, leeren Sockel, »stand eine der Figuren, die zu der viel beachteten Berliner Chronik von Bernd E. Benson gehörte.«
Obwohl der Name Kalkbrenner nichts sagte, zeigte er sich beeindruckt.
»Der Bildhauer hat bereits in New York und Paris ausgestellt, und seine Skulpturen erzielen Höchstpreise. Dahinten stand eine Statue von Devon Devonius, ebenso ein großartiger Künstler aus Berlin. Die Porzellan-Manufaktur Nymphenburg hat seinen Entwurf erst kürzlich in Handarbeit und in limitierter Auflage von nur hundertfünfzig Exemplaren hergestellt. Es war ein besonderer Wunsch von Herrn Fielmeister, dass …«, bestürzt krallte sie ihre Fingernägel in ihre Wangen. »Aber was rede ich da? Im Grunde ist es doch egal. Was sind schon geklaute Figuren und Bilder gegen das Leben von …« Abermals wischte sie sich mit dem Taschentuch die Augen. »Das ist alles so unbegreiflich.«
Auf der Wendeltreppe, die drei Stockwerke miteinander verband, kreuzten Mitarbeiter ihren Weg. Betroffen senkten sie die Köpfe. Aus den Büros drangen nur flüsternde Stimmen.
Durch einen kleinen, quadratischen Vorraum, in dem sich Frau Vissermanns Arbeitsplatz befand, gelangten sie in Fielmeisters Büro. Die Einrichtung war von überraschendem, aber exklusivem Purismus. Im Wandregal waren die Akten ebenso wie die Ablage auf dem Schreibtisch, die aus einer breiten Glasplatte bestand, ordentlich aufgeräumt. Neben dem PC-Monitor zeigten Fotos in drei Bilderrahmen Fielmeisters Ehefrau und die beiden Töchter, die Fenster gewährten einen Blick auf die Blendziegelfassaden der Produktionshallen. Trotz aufwendiger Restaurierung waren diesen Gebäuden die Jahrhunderte anzusehen.
»Saß die Firma schon immer in Potsdam?«, erkundigte sich Kalkbrenner.
»Nein, Fielmeisters
produziert erst seit der Wende hier in Babelsberg. Vorher waren wir in Marienfelde zu Hause. Aber mit den neuen Bundesländern hat sich der Firma ein neuer Absatzmarkt erschlossen, infolgedessen musste die Produktion erweitert werden, und das Unternehmen expandierte. In Marienfelde waren die Möglichkeiten, sich zu vergrößern, mehr als begrenzt.«
Kalkbrenner setzte sich auf einen der bunten Plastiksessel vor Fielmeisters Schreibtisch. Die Möbel sahen zwar modern und teuer aus, waren aber unbequem. Wahrscheinlich war das der Grund, warum Frau Vissermann stehen blieb. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Statt einer Antwort zupften ihre Finger nervös an dem Taschentuch herum. Ihre Augen glänzten schon wieder feucht.
»Geht es Ihnen gut?«
»Sie müssen verstehen, ich bin immer noch … Also, das mit Herrn Fielmeister, dieser Schock.« Mit einem lauten Schluchzen, das sich ihrer Kehle entrang, sank sie auf einen Stuhl.
Kalkbrenner gewährte ihr einige Zeit, um sich zu beruhigen, dann fragte er: »Sie sind also die Sekretärin beider Chefs?«
»Ja, das liegt daran, dass Herr Fielmeister die Firma zunächst alleine leitete, nachdem er sie Ende der Achtziger von seinem Vater übernommen hatte. Herr Peglar kam erst später hinzu. Auf Wunsch der Mutter.«
»Die Mutter wollte, dass Herr Peglar in die Firma eintrat?«
»Nun ja, Herr Peglar hatte zwar Betriebswirtschaft studiert, aber das Studium nicht beendet. Er war ein, wie soll ich sagen, ein Lebemann. Leichtlebiger Umgang, viele Frauen und solche Sachen, Sie wissen schon.« Frau Vissermanns Stimme wurde leise. Verlegen zog sie den Kopf zwischen die Schultern. »Aber Mitte der neunziger Jahre wollte Herr Peglar dann doch etwas Festes. Jeder wird schließlich mal erwachsen. Trotzdem war der Anfang nicht einfach für ihn. Er hat viel verbrannte Erde hinterlassen.«
Kalkbrenner horchte auf. »Verbrannte Erde?«
Sie räusperte sich. »So etwas wie Rücksicht hat Herr Peglar zuvor nie gekannt, auch nicht auf verheiratete Frauen. Und deren Männer, na ja, viele waren prominent und einflussreich, wussten sich zu rächen … Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich denke schon. Also war Fielmeisters
die einzige Chance für ihn, noch etwas zu werden. Und was hat der Vater zu dem Entschluss gesagt?«
»Gustav Fielmeister war einverstanden.«
»Und Rudolph Fielmeister?«
»Aber Herr Peglar war sein Bruder.«
»Sein Stiefbruder, wenn man es genau nimmt, oder?«
»Macht das einen Unterschied? Im Grunde kam Rudolph Fielmeister die Bitte seiner Mutter sehr gelegen. Die Firma expandierte gerade, und er konnte
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