Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Diebstahl galt nicht dem Vertuschen der Morddrohung?« Berger griff zur Kaffeekanne, überlegte es sich dann aber anders und goss sich stattdessen kühles Wasser in die Tasse. »Und um was ging es deiner Meinung nach dann?«
»Die Sache mit der Morddrohung könnte eine weitere falsche Spur sein«, vermutete Kalkbrenner. »Sie kam dem Mörder gerade recht, weil sie von seinem eigentlichen Motiv ablenkt.«
Die Heizung bollerte gluckernd, doch niemand nahm davon Notiz. Jeder schwitzte sowieso, was die Poren hergaben.
Dann meldete sich Muth zu Wort. »Aber Paul, wenn Herr Fielmeister, wie du sagst, die Morddrohungen nicht an die große Glocke gehängt hat, wer konnte dann davon wissen und sie für seine Zwecke nutzen?«
»Seine Frau hätte uns sicherlich davon erzählt, wenn sie darüber Bescheid gewusst hätte.«
»Es sei denn, sie hatte Gründe, uns zu belügen!«, war Berger zu vernehmen.
»Also dann wahrscheinlich doch ein Angestellter«, sagte Rita.
»Oder aber sein Bruder, Herr Peglar«, fügte Muth mit einem wissenden Blick hinzu.
»Dann wird es Zeit, dass wir ihn endlich befragen«, polterte Dr. Salm. »Ist Peglar inzwischen auf dem Präsidium?«
Muth räusperte sich verlegen. »Das ist unser nächstes Problem.«
28
An der Kreuzung holte Aidan aus seinem Rucksack einen Schwamm, einen T-förmigen Stab mit breiter Gummikrempe und eine alte Plastikflasche voller Wasser.
»Damit kann man Geld verdienen?«, fragte Tabori zweifelnd.
»Natürlich.«
»Wir beide?«
»Schon, aber der hier ist meiner.« Dann brachte Aidan aus einem stinkenden Abfalleimer am Straßenrand einen weiteren Gummistab zum Vorschein. »Dieser hier ist für dich.«
An dem Stab löste sich die Gummikrempe bereits von der Halterung.
»Er ist nicht mehr der neueste«, gab Aidan zu. »Ist mein alter Wischer, aber für den Anfang kannst du den gut benutzen. Und nachher gibst du mir was dafür.«
»Nachher?«
»Klar, wenn du mit ihm Geld verdient hast. Aber Vorsicht: Press ihn nicht zu fest auf die Autoscheiben, sonst zerkratzt du das Glas. Kapiert?«
»Nicht wirklich«, gestand Tabori.
»Na gut. Komm, ich zeige es dir.« Eine Rotphase unterbrach gerade den dichten Verkehrsfluss. Kaum standen die Autos still, flitzte Aidan auf die Kreuzung und vor die Pkws. Wie der Markthändler in Gracen, wenn er Obst und Gemüse anpries, schwenkte Aidan Schwamm und Wasserflasche.
Der erste Autofahrer schüttelte genervt den Kopf, aber der zweite nickte. Mit einer kurzen Bewegung spritzte Aidan aus der Flasche einen Schwall Wasser auf die verdreckte Frontscheibe, und ebenso schnell wischte er mit dem Schwamm über das Glas, bevor er es mit dem Gummiwischer trocknete. Für die gesamte Prozedur brauchte er keine zehn Sekunden. Der Fahrer des Autos kurbelte anschließend die Seitenscheibe hinunter und ließ ein Geldstück in Aidans Hand fallen. Die Münze war kaum auf seiner Handfläche gelandet, da spurtete der Junge schon zum nächsten Fahrzeug, bei dem er erneut Glück hatte, sodass sich das Spiel wiederholte. Die restlichen Autofahrer, die er noch fragen konnte, lehnten die Reinigung ab, dann sprang die Ampel auch schon wieder auf Grün. Bevor die Pkws ihn unter sich begraben konnten, stand Aidan wieder neben Tabori am Bordstein.
Er hatte drei Münzen in seiner Hand: 50 Cent, 20 Cent und 10 Cent. Verdient in nicht einmal zwei Minuten. Tabori rechnete hoch, was das über den Tag ergeben konnte, und traute sich nicht, die Summe laut auszusprechen. Es stimmte also doch, was Ryon gesagt hatte: Die Arbeit lag buchstäblich auf der Straße.
»Achtung!«, unterbrach Aidan seinen Gedankengang, als die Fahrzeuge erneut stoppten. Diesmal hatte Aidan nicht so viel Glück, nur ein einziger Fahrer ging auf sein Angebot ein. »Mal läuft es, dann mal wieder nicht, aber am Ende des Tages hast du trotzdem immer eine nette Summe zusammen«, erklärte er, und Tabori glaubte ihm aufs Wort. »Willst du es probieren?«
Was für eine Frage, natürlich wollte er!
Aidan reichte ihm die Wasserflasche und den Schwamm. Bei der nächsten Rotphase sprintete Tabori los. Der erste Fahrer verneinte, der zweite ebenfalls. Der dritte ließ als Zeichen seiner Ablehnung Wasser aus der Scheibenwischerdüse spritzen. Die kalte Flüssigkeit traf Taboris Gesicht, aber er hastete schon zum nächsten Auto weiter, in dem ein Mann nickte. Tabori goss etwas Wasser auf die Scheibe und begann, mit dem Schwamm zu schrubben. Bei der Kälte fühlten sich seine Finger bald eisig an. Auf Dauer
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