Trieb
verabredeten Termin blieb, zappte Sackowitz durch das Fernsehprogramm. Er landete beim Pay-TV.
Mach’s mir
,
Baby. Härter
,
schneller. Du bist so geil.
Unter das künstliche Stöhnen mischte sich das Klingeln des Zimmertelefons. Als er abhob, meldete sich Karin: »Da ist ein Anruf für dich. Ich verbinde.«
Die Stimme, die gleich darauf in Sackowitz’ Ohr keuchte, war unverkennbar. »Eine kleine Planänderung. Wir können uns nicht im
Park Inn
treffen.«
»Aber ich habe ein Hotelzimmer. Dort sind wir sicher.«
»Das bezweifle ich. Lieber in Grünau.«
Der Stadtteil befand sich im tiefen Osten Berlins, vom zentral gelegenen Alexanderplatz war er eine halbe Weltreise entfernt. »Übertreiben Sie es jetzt nicht ein bisschen mit Ihrer Geheimniskrämerei?«
»Lassen Sie das, und kommen Sie nach Grünau. Fahren Sie zur Spree. Am Übergang der Regattastraße zur Sportpromenade warte ich auf Sie. In einer Stunde.« Dann hörte Sackowitz nur noch ein Tuten.
Vor dem Hotelfenster staute sich der Verkehr auf der Karl-Marx-Allee, Unter den Linden, der Otto-Braun-Straße, der Prenzlauer Allee, eigentlich überall, wohin der Reporter schaute. Er würde viel Glück brauchen, um in weniger als einer Stunde den Treffpunkt zu erreichen. Aber hatte er eine andere Wahl?
Ja
,
die hast du.
Er konnte zurück in die Redaktion gehen, sich an den Computer setzen und darauf warten, dass …
Ja
,
worauf denn eigentlich?
Dass ihm eine gute Story einfach so in den Schoß fiel?
Aber
,
verdammt
,
die gute Story ist in greifbarer Nähe!
Er eilte ins Erdgeschoss und an der Rezeption vorbei nach draußen.
»Harald?«, hörte er Karin noch seinem Rücken zurufen.
»Tut mir leid, aber ich muss weg.«
»Was ist mit deinem Frühstück?«
»Heb’s auf!«
71
»Du kommst einfach mit zu mir!«, schlug Ludwig vor.
Im ersten Moment klang die Idee sehr verlockend, dann erinnerte sich Tabori an Gentianas Bitte:
Pass auf dich auf.
Verstohlen musterte er den Mann, der ihm Kakao, Burger und Pommes spendiert hatte. Ludwig war von mittlerer Statur, hatte dichtes graues Haar und leicht gebräunte Haut. Auch seine Jeans und der hellblaue Pullunder weckten nicht Taboris Unbehagen, aber dennoch …
»Hast du etwa Angst vor mir?«, fragte Ludwig.
Tabori knabberte stumm an einem kalten Kartoffelschnitz.
Ludwig schaute enttäuscht drein. »Bin ich vielleicht ein schlechter Mensch?«
Tabori erschrak. Er hatte seinen Wohltäter nicht vor den Kopf stoßen wollen.
Ludwig ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also ja? Ich bin ein schlechter Mensch für dich?«
»Nein!« Tabori vermied es, mit seinem Blick die Pappschachteln und -becher zu streifen. Er war undankbar. »Du … nett. Danke.«
»Da hast du recht.« Ludwigs Stimme hatte einen verärgerten Unterton angenommen. »Mein Vorschlag war nur nett gemeint. Sonst nichts.«
Tabori bekam ein schlechtes Gewissen.
»Du hättest dich bei mir ausschlafen können. Im Warmen. Außerdem«, Ludwig betrachtete Tabori skeptisch von Kopf bis Fuß, »endlich mal waschen.«
Peinlich berührt senkte Tabori die Augen.
»Du hättest sogar frische Hosen und Shirts von meinem Sohn bekommen können.«
»Du hast Sohn?«
»Das ist doch jetzt egal. Ich wollte nur nett sein.«
Nun war es Tabori, der sich wie ein schlechter Mensch vorkam.
»Du hättest dich bei mir erholen können. Erholung, Kraft! Verstehst du?« Ludwig seufzte. »Und unterdessen hätte ich nach Ryon gesucht.«
»Ryon«, flüsterte Tabori.
»Ja, nach deinem Cousin.« Ludwig griff nach seinem Mantel und machte Anstalten, sich zu erheben. »Aber wenn du nicht willst …«
»Doch. Ich will!« Vor allem aber wollte Tabori Ludwig davon erzählen, was ihm in den letzten Tagen widerfahren war. Dass er nur ein bisschen vorsichtiger sein wollte. Aber es stimmte: Er sehnte sich nach einer anständigen Unterkunft. Einem warmen Bad. Und frischer Wäsche. Es fehlten ihm nur die richtigen Worte. Deshalb fragte er: »Du hast Sohn?«
Verdrossen öffnete Ludwig seine Geldbörse und zeigte Tabori ein Foto im Seitenfach. »Das ist Fritz.«
Auf dem Bild schwang ein sommersprossiger Junge auf einem Spielplatz seine Schippe wie ein Schwert. Er schaute nicht aus wie Ludwig, aber Tabori hatte seinem Vater auch nicht ähnlich gesehen. Zumindest hatte das Opa immer behauptet.
Tabori erinnerte sich, wie Aidan ihm während des ersten Essens bei
McDonald’s
erklärt hatte:
Nicht alle Jungs sind so wie Miro
. Und was für
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