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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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kräftig, aber er versuchte, die Luft anzuhalten. Er mobilisierte seine letzten Kräfte. Er wollte nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht hier.
    Das kauzige Gesicht eines alten Mannes in Gärtnerkluft linste um die Ecke. »Was hockst du denn da?«
    Erleichtert atmete Sackowitz aus.
    »Hier is’ nix für Penner!«
    »Ich bin kein Penner. Ich …«
    »Na, dann guck dir doch mal an. Hoffentlich biste schnell verschwunden!«
    Seine Gelenke protestierten schmerzhaft, während Sackowitz sich fluchend erhob. Er spähte in alle Himmelsrichtungen. Niemand war zu sehen.
Er eilte zu seinem Wagen, aber auch dort war von einer Bedrohung keine Spur, nur ein Rentner beäugte ihn misstrauisch über die Hecke der Laubenpieperkolonie hinweg.
    Auf den Waldwegen kurvte Sackowitz zurück in die Stadt. Immer wieder blickte er in den Rückspiegel, bemerkte aber nichts Auffälliges. Niemand folgte ihm.
    An der nächsten Ampel zog Sackowitz sein Handy aus der Jackentasche. Der Anruf vorhin, der ihn so in Panik versetzt hatte, stammte von Kurt Hirschmann, dem Anzeigenberater beim
Kurier.
Er hatte eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. »Hardy, ich weiß, du hast viel zu tun, aber ich wollte mich noch mal wegen unserer Häuser bei dir gemeldet haben. Nichts Lebenswichtiges, es geht nur um den Gutachter, der sich die Schäden ansehen möchte. Keine Ahnung, ob es was bringt, aber ich habe einen Termin mit ihm vereinbart, und es wäre schön, wenn …«
    Sackowitz löschte die Nachricht, ohne sie zu Ende angehört zu haben. Er hatte im Moment weiß Gott anderes im Kopf.
Lebenswichtiges.
Sein hysterisches Kichern erstickte, als sich das Handy erneut meldete. »Verdammt, Kurt, ich habe keine Zeit.«
    »Nee, nicht Kurt. Hier ist Werner.«
    »Gesing?«
    »Verdammt, nicht meinen Nachnamen! Und Scheiße, Mann, wo steckst du? Ich warte schon die ganze Zeit auf dich.«
    Werner, seinen anderen Informanten, hatte Sackowitz völlig vergessen. »Ich bin auf dem Weg.«
    »Jetzt brauchst du dich auch nicht mehr beeilen. Meine Mittagspause ist gleich rum.«
    »Warte!«, bat Sackowitz, bevor Werner auflegen konnte. »Ich will noch etwas wissen.«
    »Stimmt, deswegen wollten wir uns ja treffen.« Werner war hörbar angesäuert.
    »Was ist mit Ernst Radomski? Oder Jan-Sönken Schulze? Weißt du über die beiden auch etwas?«
    »Nee, nichts. Nur über Fielmeister. Hab ich doch schon gesagt.«
    »Und dabei ging es um Gammelfleisch?«
    »Ja doch. Aber mehr kriegst du von mir erst, wenn …«
    Sackowitz legte auf. Wahrscheinlich brauchte er Werners Informationen gar nicht mehr. Stattdessen würde er ins Hotel
Park Inn
fahren, wo Radomski Fotos, Namen und Adressen hinterlegt hatte. Als er sich im Rückspiegel jedoch näher betrachtete, verwarf er den Gedanken fürs Erste. Sein Gesicht war zerkratzt. Hinzu kam, dass die Jacke schmutzig war und die Jeans zerschlissen. Seine Hände, die sich ums Lenkrad krampften, waren blutig aufgeschürft, die Fingernägel schwarz.
Hier is

nix für Penner!
Kurzentschlossen änderte er sein Ziel: Statt den Alexanderplatz anzusteuern, lenkte Sackowitz den Polo zu seiner Wohnung in Friedrichshain.
    Dort angekommen entkleidete er sich bis auf die Unterhose und wusch sich im Bad das Blut von den Wangen und Händen. Während er seine Haut mit lauwarmem Wasser betupfte, wurde ihm schlagartig bewusst, wie knapp er dem Tod entronnen war. Radomski hatte weniger Glück gehabt.
    Plötzlich hallte der Schuss noch einmal in Sackowitz’ Ohren. Vor seinem geistigen Auge spritzte wieder Blut, er sah Radomski erneut zu Boden sinken.
Sackowitz’ Herzschlag beschleunigte sich. Übelkeit drängte seine Kehle hinauf, und er übergab sich in das Waschbecken. Noch immer würgend wischte er sich die bittere Galle von den Lippen. Er hatte noch immer nichts gegessen.
    Unter Stöhnen schleppte er sich in sein Schlafzimmer und zog sich frische Klamotten an. Dann setzte er sich aufs Sofa. Nur zögerlich beruhigte sich sein Magen, sein Herz jedoch klopfte mit unverminderter Heftigkeit weiter. Die Aufregung der letzten Stunden war einfach zu viel gewesen. Er brauchte etwas Ruhe. Nur einige Minuten. Schließlich war die beste Story nichts wert, wenn er – Sackowitz’ Herz machte einen neuerlichen Satz.
    Eine Diele quietschte. Vor seiner Wohnungstür, ohne Zweifel.
Ein Nachbar?
Sackowitz traute sich nicht zu atmen. Das Herz schlug ihm bis hinter die Schläfen.
    Eine Faust, ein Fuß, eine Schulter, was auch immer, auf jeden Fall etwas Kräftiges donnerte

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