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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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vor Schmerz. In seinem Brustkorb drückte es unangenehm. Wenn er diese Sache überstanden hatte, würde er sich und sein Herz erst einmal von seinem Arzt auf den Prüfstand stellen lassen. »Und was ist mit dir? Was treibt dich an einem Sonntag in deine Bruchbude?«
    Hirschmann deutete mit einer Kopfbewegung auf das Pärchen, das immer noch wie angewurzelt unterm Türsturz verharrte. »Das ist der Freund meines Schwagers. Er ist Gutachter. Ich habe dir von ihm erzählt.«
    Sackowitz nickte und schaute wieder aus dem Fenster. Wie angekündigt war über Nacht weiterer Schnee gefallen, und der Winterdienst hatte es bisher wohl nicht ins Neubauviertel geschafft. Wozu denn auch? Es wohnte ja kaum noch jemand hier. »Ich erinnere mich.«
    »Ich habe dir sogar gesagt, dass wir uns heute das Haus anschauen.«
    »Nein, davon weiß ich nichts.«
    »Ich habe dir eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen.«
    Die ich nach der Hälfte gelöscht habe.
»Stimmt.«
    »Hast du deswegen hier übernachtet?«
    »Nein«, antwortete Sackowitz und klopfte seine Klamotten aus. Ein modriger Geruch entwich dem Stoff.
    Hirschmann rümpfte die Nase. »Also sollen wir uns dein Haus nicht ansehen?«
    »Nein, heute nicht.«
    »Wann denn dann?«
    »Morgen vielleicht?«, meinte Sackowitz fragend. Morgen war die Story bestimmt schon geschrieben, das Lob von Bodkema eingeheimst, die Beweise bei der Polizei und Karin besänftigt. »Ja, morgen müsste dafür ein guter Tag sein. Ich geh dann mal.«
    Vorsichtig setzte Sackowitz den Polo rückwärts die vereiste Auffahrt hinunter. Im Schneckentempo schlich er durch die Straßen und hielt nach einer Telefonzelle Ausschau. Doch öffentliche Fernsprecher waren inzwischen dank des eisernen Telekom-Sparkurses anscheinend Mangelware geworden. Als er endlich ein magentafarbenes Häuschen am Straßenrand entdeckte, war ein Gespräch nur mit Telefonkarte möglich. Er erwarb eine solche mit 20 Euro Guthaben an der nächsten Tankstelle, fuhr zurück und kontaktierte Christian, auf dessen Mailbox er wie vereinbart sein Kommen ankündigte.
    Eine Viertelstunde später stand er vor dem Haus in der Oranienstraße. Diesmal betätigte Sackowitz den Klingelknopf nur kurz, denn er wollte Anton, der verschnupften Strumpfbandnatter, keine Furcht einjagen. Weil Christian nicht reagierte, sah sich der Journalist gezwungen, seine gerade entdeckte Tierliebe hintanzustellen, und klingelte erneut. Nichts passierte. Nur der Himmel öffnete seine Schleusen und ließ fiesen Schneeregen auf Sackowitz herabfallen.
    Er beeilte sich, in der
Morena-
Bar gegenüber ein trockenes Plätzchen zu finden. Die Eckkneipe am Spreewaldplatz, direkt gegenüber dem Görlitzer Park, war in ihrer typischen Kreuzberger Stillosigkeit schon wieder faszinierend. Nicht nur das Ambiente war zünftig und neomodern, auch die Musik war es, die aus Lautsprechern plärrte.
    Die Thekenkraft, eine übermüdete Studentin, wusste mit dem Namen Christian nichts anzufangen. »Meinst du vielleicht den Chris?«
    »Er ist groß, kurzes Haar, so ein Computerheini. Kommt jeden Morgen zum Frühstück zu euch.«
    »Ja, das ist Chris. Aber heute war er noch nicht da.«
    »Hat er vielleicht eine Nachricht für mich hinterlassen?«
    »Wie soll er das denn gemacht haben, wenn er nicht da war?«
    Sackowitz besuchte der Reihe nach den Inder an der Wiener Straße, den Marokkaner und den Argentinier an der Oranienstraße und schließlich auch noch den Spanier an der Skalitzer. Die Restaurants hatten gerade erst geöffnet, sodass sich nur vereinzelte erste Gäste an den Tischen verloren. In den umliegenden Imbissbuden deckten sich verpeilte Nachtgeschöpfe mit alkoholischem Proviant für die Party nach der Party ein. Aber auch hier hatte Sackowitz kein Glück: Von Christian fehlte jede Spur.
    Von einer Telefonzelle am Görlitzer Bahnhof versuchte es der Reporter noch einmal bei dem Computerfreak. Während die U-Bahn auf den Hochgleisen ratterte, brüllte er auf den Anrufbeantworter: »Ich stehe gleich wieder vor deiner Tür und werde klingeln.«
    Er ging die wenigen Meter bis zu Christians Haustür und zählte bis zehn.
Tut mir leid
,
Anton.
Dann läutete er Sturm. Ohne Ergebnis.
Verdammt
,
wo steckt er?
    Notgedrungen begab sich Sackowitz noch einmal zur Telefonzelle. Wenig überraschend war auch Heiko Richter nicht zu erreichen.
    »Ich stehe hier vor der Tür deines Kumpels«, schimpfte Sackowitz auf dessen Mailbox. »Aber er öffnet mir nicht. Und ja, ich habe ihn vorher angerufen.

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