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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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und Schildkröten – kennen, manche waren nett, einige böse. Die Abenteuer, die er gemeinsam mit ihnen erlebte, erinnerten Tabori an seine Suche nach Ryon.
    Doch anders als sie, die sich bis heute noch nicht in Berlin getroffen hatten, fanden sich Nemo und sein Vater zum Schluss des Films und konnten zusammen nach Hause schwimmen. Das Happy End berührte Tabori. Es machte ihm Hoffnung, dass er seinen Cousin doch noch wiedersehen würde. Gedankenverloren knabberte er Kartoffelchips und trank Cola.
    »Trinkst du gerne Cola?«, erkundigte sich Georg.
    »Schon. Aber darf nicht. Mama sagt: Cola … teuer. Zu Hause trinken Wasser.«
    »Wie schade.« Georg tätschelte ihm den Oberschenkel. »Meine Mutter hat früher immer zu mir gesagt, ich darf Cola trinken, aber«, er nahm einen tiefen Schluck vom Brausegetränk und rülpste genüsslich, »das Bäuerchen danach hat sie mir verboten. Das sei unanständig.«
    »Bäuerchen? Unanständig?«
    Georg stieß noch einmal geräuschvoll auf. »Rülpsen. Kannst du das auch?«
    »Ja! Ich mache Olympiade mit Ryon.« Begeistert trank Tabori von der Cola. Die Kohlensäure kitzelte ihm in der Nase. Danach gab er einen prächtigen Rülpser von sich. Ryon wäre stolz auf ihn gewesen.
    »Wow!«, staunte Georg.
    Vielleicht war er ja doch ein lustiger Kerl. »Ludwig findet Bäuerchen auch nicht schön«, sagte Tabori.
    »Aber sonst hat es dir bei Ludwig gefallen, oder?«
    »Ja. Ludwig ist mein Freund.«
    »Ja, Ludwig ist wirklich nett.« Georg gähnte und hielt sich die Hand vor den Mund. »Aber du wirst sehen, bei mir wird es dir auch gut gehen. Ich bin auch nett, versprochen. Soll ich dir das Kinderzimmer zeigen?«
    Ich bin doch kein kleines Kind mehr
,
wollte Tabori einwenden, aber nachdem er schon
Findet Nemo
nicht gekannt hatte, kam ihm die Bemerkung irgendwie unpassend vor.
    Das Kinderzimmer war nicht so ordentlich wie das von Fritz, und auch der Teppich wirkte bei Georg eher schäbig. Aber an der Wand klebten fast die gleichen Poster wie bei Ludwig: von Eminem, 50 Cent und Tokio Hotel. Auch ein Computer und eine Spielkonsole standen auf dem Schreibtisch, nur die Gitarre fehlte.
    »Gefällt es dir?«
    Tabori wollte nicht unhöflich sein. »Danke, ja.«
    »Dann fühl dich wie zu Hause.«
    »Ist das Zimmer von … dein Sohn?«
    Georg schwieg. Er machte nicht den Eindruck, als würde er darüber reden wollen. Vielleicht wollte sein Sohn auch nichts mehr mit ihm zu tun haben, und er war deshalb genauso traurig wie Ludwig. »Dort drüben ist das Bad. Ich habe dir eine Zahnbürste, einen Waschlappen und ein Handtuch herausgelegt. Schön waschen, hast du gehört?«
    Jetzt aber doch: »Ich bin kein Baby mehr.«
    Georg lächelte.
    Das Badezimmer war kleiner als das von Ludwig, aber immer noch größer als das in Gracen. Tabori musste an seine Mutter denken. Was sie wohl gerade tat? Er wusch sich, gähnte und tappte schläfrig in das gegenüberliegende Zimmer.
    »Da bist du ja«, empfing ihn Georg lächelnd. »Ich warte schon auf dich.«

136
    »Ist die Knarre echt?«, fragte der Junge auf dem Bett respektvoll.
    Unter Kalkbrenners Mantel schaute das Holster seiner Dienstwaffe hervor. »Ist sie.«
    »Krass. Hast du damit schon geschossen?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Auf dem Übungsplatz.«
    Enttäuscht fielen seine Mundwinkel nach unten. »Nicht auf Verbrecher?«
    »Nein, noch nicht.« Der Junge hatte kurzes schwarzes Haar, dazu weiße, fast schon bleiche Haut. Seine Lippen waren schmal, seine Augen hellblau. Er war noch ein Kind. Ein kleines Kind.
»Wie heißt du?«
    »André.«
    »André, wie alt bist du?«
    »Neun.«
    »Weißt du, wer der Mann da gerade war?«
    »Nee.«
    »Gehört ihm diese Wohnung?«
    »Weiß nicht.«
    »Bist du das erste Mal hier?«
    »Nee, bin öfter da.«
    »Und woher kommst du?«
    »Aus Berlin, woher denn sonst?«
    »Ich meine, von wo aus Berlin?«
    »Aus Neukölln.«
    »Weiß deine Mutter, dass du hier bist?«
    André nickte stumm. Im gleichen Moment kam Muth zur Terrassentür herein. Bedauernd zuckte sie mit den Schultern. »Er ist mir entwischt.« Sie atmete bedächtig ein und aus. »Und die anderen Kids?«
    »Sind ausgeflogen.«
    »Wenigstens haben wir ihn noch rechtzeitig …« Ein Hustenanfall schüttelte sie.
    »Sera, alles in Ordnung?«
    »Ja«, krächzte sie und sah André an. »Und du? Was machst du hier?«
    »Na, PlayStation
zocken. Hab zu Hause keine. Mama kann sich die nicht leisten.«
    Muth setzte sich neben den Jungen und klopfte mit der flachen Hand

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