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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Königin, deren Geist sich verwirrte, als sich ihre Träume nicht erfüllten.
    Aber ich träume und trödle schon wieder herum. Manchmal vertrödle ich ganze Tage mit meinen Träumereien.
    Welches Kleid soll ich heute bloß anziehen? Ein Blick in Enricos Kleiderschrank überzeugt mich, daß mir die Wahl nicht schwerfallen wird. Im Schrank hängen nur wenige Sommerkleider. Ich entscheide mich für das hautenge, ärmellose, rote Strickkleid mit dem tiefen Dekolleté. Vielleicht ist es das letzte Mal für lange Zeit, daß ich so ein enges Kleid tragen kann. Bald wird meine Taille unförmig werden, in einen massigen Bauch übergehen.
    Mir ekelt ein wenig bei der Vorstellung, daß ich demnächst wie eine kleine Kugel aussehen werde. Ich verjage diesen häßlichen Gedanken sogleich wieder. Enrico behauptet, ich wäre eine Meisterin im Verdrängen. Bei unangenehmen Sachen halte ich mich tatsächlich nie lange auf, und schon gar nicht an einem so strahlend schönen Sommertag.
    Ich fische einen dunkelroten Tanga aus der Kommode und suche nach einem passenden BH. Obwohl meine Brüste noch fest sind, trage ich seit einiger Zeit vorsichtshalber einen BH. In einer Frauenzeitschrift habe ich gelesen, daß vor allem große Brüste bei einer Schwangerschaft sehr in Mitleidenschaft gezogen werden.
    Rot ist meine Lieblingsfarbe. Seit meiner Kindheit trage ich am liebsten rote Sachen. Früher hieß es immer, Rotblonde sollten die Farbe rot besser meiden. Meine Mutter kaufte mir nie ein rotes Kleid. Seit ich mir meine Kleider selbst kaufe oder, besser gesagt, von Männern kaufen lasse, trage ich fast nur mehr Rot.
    Auch meine Schuhe sind fast alle rot. Elegante, teure Schuhe von Gucci und Valentino, aber leider nicht die neuesten Modelle. Als ich noch im Laden gegenüber der Börse aushalf, bekam ich sie nach Saisonschluß immer um den Einkaufspreis. Ich hatte von klein auf eine Schwäche für schöne Schuhe. Obwohl ich mindestens vierzig Paar besitze, kann ich an keinem Schuhgeschäft vorbeigehen, zumindest muß ich zwei, drei Paar probieren. Ohne Zögern würde ich meine letzten Lire für Schuhe ausgeben. Die meisten Männer amüsiert meine Leidenschaft für Schuhe. Enrico hebt allerdings immer öfter die Brauen oder schüttelt unwillig den Kopf, wenn ich ihn um Geld für ein neues Paar Sandalen angehe. Er ist eben doch ein kleinkarierter Spießer. Auch Giorgio, der alte Geizkragen, verwöhnt mich nicht gerade mit Geschenken. Die nächsten Sandalen werde ich mir von Livio kaufen lassen.
    Ich werfe einen kritischen Blick auf meine langen, kräftigen Beine und meine zarten Fessel. Ob wohl meine Beine auch aus dem Leim gehen werden? Ich werde jedenfalls aufpassen müssen, daß ich nicht zuviel Wasser in meinem Körper speichere. Vielleicht sollte ich mir jetzt schon entwässernde Tabletten besorgen?
    Strumpfgürtel in Schwarz, Rot, Weiß oder Beige? Ich nehme den mit den roten Rosetten, er paßt besser zum Kleid. Der eine hauchzarte, helle Strumpf hat eine Laufmasche. Mit einem Tupfer Nagellack beende ich das kleine Malheur, warte, bis der Lack getrocknet ist, und ziehe die Strümpfe vorsichtig an. Dann schlüpfe ich in meine hochhackigen, roten Sandalen und binde die Riemchen fest um die Knöchel. Enrico mag es nicht, wenn ich diese Sandalen trage, weil ich dann um einen Zentimeter größer bin als er. Giorgio und Livio dagegen wissen Frauen auf Bleistiftabsätzen zu schätzen. Ich wirke viel zarter und zerbrechlicher, und vor allem erwecke ich, unsicher auf diesen sieben Zentimeter hohen Absätzen dahinwackelnd, ihre männlichen Beschützerinstinkte.
    Nur mit Strümpfen und Sandalen bekleidet, posiere ich vor dem Spiegel, streichle meine zitternden Brüste, meinen nicht mehr ganz so flachen Bauch und drehe mich um.
    Mein Hintern kann sich sehen lassen, er ist rund und fest, die Haut nach dem heißen Bad zart getötet. Ich streiche mit der Hand über meine prallen, tief gefurchten Backen. Meine spitzen, knallroten Fingernägel graben sich in das weiche Fleisch.
    Mit einem leisen Seufzer betrachte ich meine Hüften — zu breit für meinen Geschmack. Das gebärfreudige Becken habe ich von meiner Mutter geerbt. Dennoch bilden Hüften und Schenkel eine perfekte Linie, falls man für Rubensfiguren was übrig hat.
    Ich stelle einen Fuß auf den Sessel. Der Absatz meines Schuhs bohrt sich tief in die Polsterung.
    Im blankgeputzten Fenster spiegelt sich mein Körper wider. Mein rotblondes Haar, das weich über meinen Rücken fällt, leuchtet

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