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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Zahlreiche neue Bürogebäude und Lagerhallen schießen wie Pilze aus dem Boden. Heute stehen die Kräne und Baumaschinen allerdings still.
    Enrico streift die kuriosen, halbfertigen Stahlkonstruktionen nur mit flüchtigen Blicken.
    Schnaufend versucht Giorgio mit seinem Freund Schritt zu halten. »Ich bin nicht mehr daran gewöhnt spazierenzugehen, obwohl mir der Arzt regelmäßige Bewegung verordnet hat. Außerdem gehst du mir zu schnell. Du bist gut in Schuß, das sieht man dir an. Eigentlich ein schlechter Witz, da sitzt du zwanzig Jahre hinter Gittern und bist in weitaus besserer Verfassung als ich.«
    Enrico schweigt und schreitet noch schneller aus. Sie verlassen die Docks und nähern sich dem Platz, wo früher das Hotel ›Orient‹ stand. Jetzt gähnt dort ein riesiges Loch, umgeben von einem kaputten Bretterzaun.
    »Wenn du willst, können wir uns ein bißchen ausruhen. Setzen wir uns auf die Kaimauer, so wie wir es früher immer gemacht haben. Stundenlang sind wir hier gesessen, erinnerst du dich? Ganze Vormittage haben wir uns am Meer herumgetrieben, anstatt in die Schule zu gehen.«
    Giorgio grinst und setzt sich, sichtlich erleichtert, zu seinem Freund, der sich bereits auf der Mauer niedergelassen hat. Sie lassen ihre Beine baumeln und beobachten die Möwen, die, im Sturzflug und kreischend wie kleine Kinder, auf das flache Wasser zurasen.
    »Wenn ich dahinterkomme, daß mein Junge auch die Schule schwänzt und sich hier herumtreibt, versohle ich ihm den Hintern.«
    »So streng, der Herr Papa?«
    »Aber nein, ich bin viel zu nachgiebig, eigentlich war ich zu alt, um noch Vater zu werden. Meine Jüngste ist erst vier.«
    »Selber schuld, du könntest ohne weiteres einen erwachsenen Sohn oder eine hübsche Tochter im heiratsfähigen Alter haben.«
    »Theoretisch ja, aber ich habe eben erst spät geheiratet.«
    »Ich meine nicht mit deiner Frau, ich rede von ihr. Du willst mir doch nicht weismachen, daß du nicht gewußt hast, daß sie schwanger war, und zwar, wie sie behauptet hat, von dir.«
    »Sie ...?« Giorgio dreht sich um und schickt einen erstaunten Blick zur Baustelle.
    »Ja, sie. Von wem sprechen wir denn sonst die ganze Zeit? Sie wollte, daß du sie heiratest, aber du hast natürlich nicht im Traum daran gedacht, ein Mädchen wie sie zur Frau zu nehmen. Sie war dir nicht gut genug, eine Frau aus zweiter Hand ... Der schöne Giorgio ist schon immer sehr auf seinen guten Ruf bedacht gewesen. Hast du dich damals nicht in allen Ehren um die Tochter unseres Chefs bemüht, obwohl du in jeder Mittagspause seelenruhig meine Freundin aufs Kreuz gelegt hast?«
    »Alle Männer waren hinter ihr her. Auch der Besitzer vom ›Orient‹, erinnerst du dich an ihn? Er war ein richtiger Feschak. Und sie war nicht gerade wählerisch, trieb es mit jedem, sogar mit dem verrückten Michele. Übrigens ist er nach ihrem Tod total ausgeflippt. Die Polizei hat ihn nach San Giovanni gebracht. Sein Zustand hat sich aber angeblich nicht gebessert. Als er vor Gericht aussagen sollte, haben ihn die Ärzte rasch für unzurechnungsfähig erklärt. Hast du nie daran gedacht, daß er es gewesen sein könnte?«
    »Blödsinn. Ginas Tod hat ihn sehr mitgenommen, er war extrem labil. Natürlich hat sich sein Zustand danach verschlechtert. Kein Wunder, daß er in der Klapsmühle gelandet ist. Er war der sensibelste von uns allen.«
    »Vielleicht hat er nur verrückt gespielt? Clever war er, das muß man ihm lassen, ein richtig schlaues Kerlchen.«
    »Du hast ihn von Anfang an nicht leiden können. Du warst eifersüchtig, weil er viel klüger war als wir.«
    »Raffinierter vielleicht. Hättest du damals den Irren gespielt, hätten sie dir auch nichts anhaben können.«
    »Ist er immer noch oben in San Giovanni?«
    »Keine Ahnung, aber ich denke schon. Wenn einen diese Psychiater einmal in den Fingern haben, lassen sie einen so schnell nicht mehr los. Ich habe nie kapiert, warum sich unsere liebe Gina mit ihm eingelassen hat. Was hat sie bloß an diesem Verrückten gefunden?« Enricos Schweigen macht ihn sichtlich nervös, er spricht hastig weiter: »Na ja, man hat ihr halt nur schöne Augen machen und ein Gläschen spendieren müssen, und flugs ist sie schon mit einem im Bett gelegen.«
    »Sprich nicht so über sie, du hast sie nicht wirklich gekannt.«
    »Du machst dir bis heute was vor ...«
    »Das ist nicht wahr, ich habe sie geliebt. Weißt du, was ich denke, lieber Freund, ich denke, wir sollten, rein aus Spaß, einmal die

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