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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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immer für unwiderstehlich gehalten.«
    »Nun übertreib nicht so. Es stimmt schon, die Frauen sind mir damals nachgelaufen, und du bist immer auf mich eifersüchtig gewesen, mit und ohne Grund.«
    »Das bildest du dir nur ein. Ich habe von Anfang an über euch beide Bescheid gewußt. Ein Mann hat ihr nie gereicht. Du bist nicht der einzige gewesen, es hat auch noch andere gegeben, vor dir und neben dir, Livio und Michele zum Beispiel, das hast du vorhin selbst zugegeben Sie hat eben die Liebe geliebt. Aber wirklich geliebt hat sie nur mich. Es hätte alles so weitergehen können, doch diese Schwangerschaft hat sie total aus der Fassung gebracht. Obwohl sie es sonst mit der Liebe nicht so genau genommen hat, scheint sie sich plötzlich eingebildet zu haben, dem Kind seinen richtigen Vater schuldig zu sein. Und diese moralische Anwandlung ist von dir buchstäblich abgewürgt worden.«
    »Du bist total verrückt! Zugegeben, wir haben uns wegen des Kindes gestritten. Ich war mir beileibe nicht so sicher, daß dieser Balg in ihrem Bauch von mir war, er hätte doch genausogut von dir sein können oder von Livio oder gar vom verrückten Michele. Und deshalb habe ich sie an jenem Nachmittag auch früher verlassen als sonst. Ich habe ja nicht ahnen können, daß du uns nachspionieren würdest.«
    »Leider bin ich zu spät gekommen.«
    »Es ist sinnlos ...« Giorgio schüttelt verärgert den Kopf und will aufstehen. Doch sein Freund packt ihn am Arm und zwingt ihn, auf der Mauer sitzenzubleiben.
    »Meine süße Prinzessin ist blutüberströmt auf dem befleckten Laken gelegen. Ich habe mit dem Handtuch das Blut von ihrem Rücken und ihren nackten Brüsten gewischt, und ich habe den Strumpf, der um ihren Hals geknotet war, entfernt. Ich habe wie in Trance gehandelt, einen Fehler nach dem anderen gemacht — was mir dann vor Gericht zum Verhängnis geworden ist. Du hattest längst das Weite gesucht, bist längst wieder im Büro gewesen. Wie hast du sie nur so liegenlassen können, erstickend, elend verreckend wie eine miese, kleine Ratte? Was bist du doch für ein Schwein!«

»Du bist ein verdammter Lügner, so war es nicht, und das weißt du am allerbesten«, stammelt Giorgio. Sein ungläubiges Staunen weicht blankem Entsetzen. Auf seinem weißem Hemd erscheint plötzlich ein kleiner, dunkler Fleck, breitet sich aus, wird größer und größer. Giorgios leises Stöhnen geht im Gekreische der Möwen unter. Enrico zieht das Messer aus seiner Brust, hält es wie einen Dolch in der erhobenen Hand und stößt ihm dann die Klinge in den Hals. Blut spritzt aus der Wunde, und der schwere Körper zuckt in die Höhe.
    Gerade noch rechtzeitig fällt Enrico seine prekäre finanzielle Situation ein. Bevor er dem Freund einen kräftigen Stoß versetzt, fischt er die dicke Brieftasche aus seiner Brusttasche. Dann beugt er sich über die Kaimauer und sieht zu, wie Giorgio langsam im schmutzigen Wasser versinkt.
    Völlig gelassen reinigt er sein Messer, trocknet es beinahe liebevoll mit seinem Taschentuch ab und steckt es, zusammen mit der Brieftasche, in seine Manteltasche.
    Damals, als er ins Hotel Orient ging, um Giorgio und seine Freundin in flagranti zu erwischen, hat er das Messer auch dabei gehabt, es aber nicht benützt.
    Ich wasche mich nachher nicht mehr. Giorgio liebt meinen Geruch. Keine Frau würde so gut riechen wie ich, behauptet er oft. Der unverkennbare Geruch der echten Rothaarigen!
    Enricos alte Pendeluhr schlägt zwölfmal. In der Nacht klemmen wir immer den magnetischen Türstopper zwischen die Pendel. Leider vergißt Enrico nie, ihn morgens wieder zu entfernen. Diese viertelstündigen Schläge machen einen richtiggehend verrückt. Apropos verrückt, ich werde noch auf einen Sprung bei Michele vorbeischauen. Ich habe keine Lust, pünktlich im Hotel zu sein. Der gute Giorgio soll ruhig ein bißchen schmoren.
    Meine Mutter behauptete zwar immer, Pünktlichkeit sei die Höflichkeit der Königinnen, oder waren es die Könige? Egal, ich bin sowieso immer überpünktlich. Eine alte Krankheit. Sie hat mir die Pünktlichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes, eingebleut. Selbst wenn ich zum Essen nur fünf Minuten zu spät kam, setzte es bereits Prügel. Für jede Minute einen Schlag — genau wie diese blöde Uhr.
    Frauen sollten Männer viel öfter warten lassen. Warten bekommt ihrem übersteigerten Selbstwertgefühl sehr gut. Und der liebe Giorgio ist mir in letzter Zeit ohnehin viel zu selbstbewußt.
    Ich lasse mir beim Anziehen

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