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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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glimmt. Ich lese, ich kann nicht anders. Zuletzt eine kurze Geschichte, die ich vor ein paar Tagen in einer Zeitung fand. Jetzt lese ich sie zum dritten Mal. Zufall oder nicht, jedenfalls erzählt sie eine herzbewegende Parabel über das Leben und die Notwendigkeit, sich das nötige Werkzeug zu schmieden. »A Vipassana Story« könnte der Titel lauten, hätte ich sie nicht in einer Sonntagsbeilage unter der Rubrik »Just think about it!« entdeckt.
    Hier steht sie: Ein Biologielehrer unterrichtete seine Schüler über den Prozess, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird. Eine Kokon lag vor ihm auf dem Tisch und er informierte die Klasse darüber, dass in den nächsten Stunden der Schmetterling mit allen Kräften versuchen würde, den harten Flor zu öffnen. Dann verließ der Dozent den Raum. Die Schüler warteten und es passierte. Der Schmetterling kämpfte und kämpfte, um die Wände des Gespinsts zu durchbrechen. Plötzlich überkam einen der Schüler Mitleid mit dem Tier und er beschloss, dem Insekt zu helfen. Gegen den ausdrücklichen Rat des Pädagogen brach er den Kokon entzwei und der Schmetterling kam frei. Um kurz darauf zu sterben. Als der Lehrer zurückkehrte, erfuhr er, was passiert war. Er erklärte den Jugendlichen, dass der Kampf des Schmetterlings unabdingbar sei, um seine Flügel zu stärken. Wer ihm dabei behilflich sei, entziehe dem Falter seine lebensnotwendige Bewährung.

ZWEITER TAG
    Vier Stunden später beginnt das harte Leben. Die Vier-Uhr-Glocke, dann das Glöcklein, um die verschlafensten Schuldgefühle zu mobilisieren, um 4.25 Uhr schleichen die letzten Figuren heran, um 4.30 Uhr sitzen wir in der Dhamma Hall . Und meditieren, versuchen zu meditieren. Ich werfe einen letzten Blick auf den Gott, der still wie ein Stein vor mir sitzt, und den Mann rechts von mir, der tatsächlich seinen Keuchhusten und die letzte Nacht überlebt hat. Inzwischen habe ich beschlossen, gütig zu sein, zudem bewundere ich ihn. So keuchen, so rotzen und so verbissen nicht aufgeben, das bedeutet Stärke.
    Ich bin sogar gütig mit mir, steige fleißig aufs Seil und verzeihe mir jedes Mal, wenn ich abstürze und nicht am anderen Ufer, der Zahl 10, ankomme. Bin nur Mensch, bin nur einer, der erst zur Ruhe kommt, wenn die drängendsten Gedanken aussortiert und zu Ende formuliert sind.
    Mein Ego fällt mir ein. Das es laut Buddhismus nicht gibt. Deshalb sitzen wir hier. Um durch die genaue Beobachtung innerer Vorgänge zu erkennen, dass diese ungeheure Behauptung – die Nichtexistenz des Egos – den Tatsachen entspricht. Nicht mein Ego, niemandes Ego gibt es. Verkündet Buddha. Was wir dafür halten, sei nichts als Einbildung, eine unglaublich hartnäckige Fata Morgana. Da laut den Worten des Meisters nichts »permanent« ist, kein Teil auf der Welt ewig dauert, alles vergeht, jedes Atom sich konstant bewegt, jede lebende Zelle sich verändert, warum soll es dann ein »Ego« geben? Schon aufgrund unserer Stimmungsschwankungen ließe sich doch nachweisen, dass es als »feste Größe«, als feste Einrichtung, nie vorhanden war. Es schwankt, von einer Minute, ja manchmal von einer Sekunde zur nächsten. Es empfindet einmal so, einmal das genaue Gegenteil. Es verfügt über keine Basis, keinen festen Grund, es verfügt über nichts. Nur unsere Einbildung.
    Um die nächsten Überlegungen klarer im Kontext zu verstehen, sei vorausgeschickt, dass Buddha zu etwas aufgerufen hat, was man nur unter Beifallsstürmen zur Kenntnis nehmen kann. Er rief zu geistiger Unabhängigkeit auf, eigenen Gedanken, eigenem Urteil. So nehme ich ihn jetzt beim Wort: Jede meiner bisherigen Erfahrungen zeigt in die ganz andere Richtung. Denn wenn mich etwas in meinem Leben – 24 Stunden pro Tag, 365 Tage pro Jahr – begleitet, ja nie und niemals verlassen hat, dann mein »Ich«. (»Ich« klingt weniger negativ belastet als »Ego«.) Mein Ich, mein Ego, also meine Sehnsucht nach Liebe, meine Gierattacken und mein Lebenstrieb, werden folglich erst dann aufhören, wenn jemand meinen Kopf vom Rumpf trennt oder durch einen Schuss mein Herz tötet. Oder mein Leben durch einen ganz und gar banalen Tod endet. Vorher wird das »Ich« mich nicht verlassen. So wenig wie meine Haut, meine Lebensfreude und meine Todesangst. Es ist ein Teil von mir.
    Ich muss also nein sagen. Zudem leide ich unter einem Autoritätskomplex. Schon als Kind überkam mich das Bedürfnis zu widersprechen. Sicher spielte meine katholische Erziehung dabei eine Rolle. Ich hatte

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