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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Meditation am Nachmittag kann man auch in der eigenen Zelle verbringen. Ich versuche es und kehre reumütig zurück. Ich brauche die Kraft der anderen. Ihre (stumme) Energie hilft, obwohl nicht die geringste Kommunikation stattfindet. Und noch etwas, gar seltsam. Mitten unter Leuten bin ich weniger abgelenkt als allein auf weiter Flur in meinen engen vier Wänden.
    Als ich wieder in der Dhamma Hall Platz nehme, entdecke ich neben den Rotzern die Rülpser. Auch sie sind Teil der indischen Folklore. Die Ungeniertesten furzen zwischendurch. Ich habe zufällig die Augen offen, als mein linker Vordermann gekonnt sein Gesäß hochhebt, damit ein Pups geräuschvoll hinaus an die frische Luft kann. Wohl eine Art Anwesenheitssignal. Ich furze, also bin ich.
    Man begreift wieder einmal, dass so mancher auf der Suche nach letzten Erkenntnissen den kleineren mühelos aus dem Weg geht. Empathie ist so eine kleine Wahrheit: sich einfühlen können in andere, in jene zum Beispiel, die gerade nicht verpestet werden wollen. Ob Vipassana den Gefühlstauben je zu Gefühlen verhilft? Andererseits, so heißt es, sollen widrige Umstände – wie Lärm, wie Mief – nie als Ausrede herhalten für fehlende Konzentration. Wer meditiert, soll meditieren und – seine Umgebung ausblenden. Hehre Reden. Ich höre alles, ich rieche jeden.
    Nach dem Abendessen brennt ein Lagerfeuer am Eingangstor, hier wärmen sich die zwei Nachtwächter. Die vorbeiziehenden Schatten – von uns stummen Spaziergängern – flackern neben den Flammen. Die Dämmerung und das Feuer werfen ein romantisches Licht über den Hof. Die Schönheit des Bildes gibt Kraft. Seit ich hier bin, schaue ich in jedes Eck, um mich zu stärken.
    Zurück in der Dhamma Hall bekomme ich noch ein Bild geschenkt. Ich öffne, disziplinlos, die Augen und sehe vier Reihen von Männern und Frauen vor mir, die wie makellose Skulpturen in der Dunkelheit verharren. Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie hampeln wie ich. Nein, stark und verschwiegen sitzen sie. Jede, jeder. Auch die bislang Respektlosen. Sie wissen vom Segen der Meditation, sie ja.
    Ich schließe wieder die Augen und genieße, trotz der Schmerzen, das abgespeicherte Bild. Menschen, die meditieren, sehen gut aus. Elegant, unangreifbar wie ein Geheimnis. Schon äußerlich übt Meditation – jenseits allen ideellen Anspruchs – eine irritierende Faszination aus. Sie hat Würde und Schönheit, es hat nichts Demütiges. Nichts Verbuckeltes. Als ich vor langer Zeit zum ersten Mal jemanden sah, der meditierte – einen Mönch in Indien –, habe ich mich in einem nahen Gebüsch versteckt und ihn beobachtet. Und ihn bestaunt. Zwei Stunden lang. Er schien ganz nah und ganz versunken in einer anderen Welt. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Vielleicht zog gerade eine Sexorgie durch sein Hirn, vielleicht dachte er an seine verdammte Verstopfung, vielleicht war er wunderbar einverstanden. Wie dem auch sei, das Verschwiegene und die Unbeweglichkeit verliehen ihm eine Aura von souveräner Gelassenheit. Er saß wie ein Fels und war leicht. Ich schwöre, man sah die Leichtigkeit. Kein Gewicht der Welt hing an ihm, der Mann war nur schön und beneidenswert. Um ein Haar wäre ich näher gekommen, um ihn zu berühren. Um selbst mühelos zu werden.
    Compay Segundo fällt mir ein, der Musiker, der erst mit knapp 96 Jahren zu leben aufhören wollte. Und nachgab und starb. Er war berühmt und wurde durch Wim Wenders’ Buena Vista Social Club -Film noch berühmter. Den Alten beneidete ich auch. Der Kubaner kam sicher mit einem Glücks-Gen auf die Welt. Er schien unbeschwert, er konnte wohl nicht schwer werden. Über Meditation hätte er womöglich gelacht. Auf die Frage nach dem Rätsel seines langen, unwiderstehlich glücklichen Lebens antwortete er, hundert Prozent unkorrekt: »Zigarren, schöne Frauen und Rum.« Aber ich bin nicht Señor Segundo, ich bin wie die vielen anderen. Ich brauche die Umwege, ich muss erst lernen, dass Glück erlaubt ist. Er bekam geschenkt, wofür wir anderen uns schinden müssen.
    19 Uhr, day two discourse . Goenka spricht über die »five precepts«, die fünf Grundregeln, die wir hier (und für den Rest des Lebens) beachten sollen. Nun, jeder einigermaßen Zivilisierte braucht nicht daran erinnert zu werden, dass keiner das Recht hat, einen Menschen zu töten. Noch zu quälen. Auch klar, dass einer des anderen Eigentum nicht anrührt. (Ich bin Ex-Kleptomane und weiß, wovon ich rede.) Aber bald wird es

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